Nach einem holprigen Wahlkampf und großem Jubel gestern über das Europawahlergebnis ging es für die neu gewählten AfD-Delegierten heute gleich intensiv weiter. Sie mussten sich einmal mehr über Personalfragen beugen. Die Nummer 1 für die Europawahl, Maximilian Krah, und die Nummer 2, Petr Bystron, sind mit Vorwürfen der Bestechlichkeit konfrontiert. Im Endspurt des Wahlkampfs sollten sie nicht mehr auftreten. Sich daran zu halten, versprachen beide, traten dann aber trotzdem auf. Das Hin-und-Her der beiden Politiker passt zum Vorgehen der gesamten Partei, das geprägt ist von Vielstimmigkeit.
Krah wird nicht Teil der AfD-Europa-Delegation
Das zeigt sich auch heute wieder: Krah fliegt aus der AfD-Delegation, aber der bayerische AfD-Europaabgeordnete Bystron kann bleiben. Obwohl gegen Bystron die Münchner Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Bestechlichkeit ermittelt, während bei Krah bisher nur Vorermittlungen laufen.
Der neu gewählte AfD-Delegationsleiter René Aust begründet das damit, dass Bystron unter anderem eidesstattliche Versicherungen über seine Unschuld vorgelegt habe. Krah hingegen, so Aust, soll "außerhalb des Rampenlichts" jetzt erstmal seine Verhältnisse ordnen.
Krah sieht Entscheidung als Momentaufnahme
Als Krah direkt nach der Abstimmung der AfD-Delegierten und seinem Rauswurf vor die Tür tritt und mit Journalisten spricht, will er sich betont gut gelaunt zeigen. Der AfD-Politiker hält die Entscheidung "für falsch" und macht deutlich, dass er nicht vorhat, sich zurückzuziehen. "Das ist eine Momentaufnahme", sagt Krah und sieht Rückenwind für sich bei den ostdeutschen Landesverbänden. Er verspricht, man werde weiter von ihm hören: "Es bleibt sowohl kontrovers wie unterhaltsam."
Krah steht seit längerem in der Kritik wegen Verbindungen nach Russland und China und möglicher Geldzahlungen. Sein Mitarbeiter, von dem er sich mittlerweile getrennt hat, sitzt in Untersuchungshaft wegen Spionage-Vorwürfen. Ausschlaggebend für den Rausschmiss jetzt waren aber Aussagen Krahs, in denen er die Verbrechen der SS verharmlost hatte.
Die rechte ID-Fraktion im EU-Parlament hatte daraufhin die AfD aus der gemeinsamen Fraktion geworfen. Die neuen Delegierten wollen darüber nun nochmal verhandeln und sehen Krah dabei als Belastung. Allerdings: Eindeutig ist die Entscheidung nicht, die Wahl ging knapp aus. Acht der 15 AfD-Delegierten stimmten für Krahs Ausschluss, vier dagegen, drei enthielten sich. Geschlossenheit sieht anders aus.
AfD: Freude über Wahlergebnis
Dabei sehen einige in der AfD dieses Herumeiern als durchaus problematisch. Diskutiert wird, ob das Wahlergebnis nicht noch deutlich besser hätten ausfallen können, wären da nicht die Skandale um Krah und Bystron.
Der bayerische AfD-Europaabgeordnete Markus Buchheit bezeichnet das Wahlergebnis als "hervorragend", aber sagt auch: "Diese Kakophonie am Schluss war ein Problem." Die AfD-Spitze hätte sich entweder eindeutig gegen Krah und Bystron stellen müssen oder eindeutig hinter sie. Buchheit vermutet, da wäre noch mehr drin gewesen als die 15,9 Prozent, die die AfD bundesweit geholt hat. Die Parteispitze blockt solche Überlegungen ab. Alice Weidel spricht von einem "Riesen-Erfolg" und sieht einen Trend, der sich fortsetzen werde.
AfD in Ostdeutschland stärkste Kraft
Im Herbst sind Landtagswahlen in drei Ost-Bundesländern, in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Gerade im Osten lag die AfD bei der Europawahl auf Platz eins, mit deutlichem Abstand vor der CDU. Für die Sozialwissenschaftlerin Astrid Lorenz aus Leipzig kommt das wenig überraschend. Schon länger fänden große Teile der Ostdeutschen, "dass ihre Positionen in der Politik in Deutschland und Europa zu wenig abgebildet sind".
In diese Leerstelle tritt die AfD. Sie kann dabei vor allem mit ihrem Kernthema Zuwanderung punkten. Der Wunsch, die Zuwanderung stärker zu begrenzen, spielte für AfD-Anhänger laut der Nachwahlbefragung des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap mit Abstand die größte Rolle bei ihrer Wahlentscheidung – neben dem Wunsch nach Frieden und sozialer Sicherheit. Die meisten AfD-Wählenden haben Angst vor steigender Kriminalität, zu vielen Fremden, einem Erstarken des Islams und dass sich das Leben in Deutschland zu stark ändert.
Skandale schrecken AfD-Anhänger kaum
Dass der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall beobachtet, schreckt die AfD-Anhänger kaum. 82 Prozent sagen, dass es ihnen egal ist, dass die AfD in Teilen als rechtsextrem gilt, solang sie die richtigen Themen anspricht.
Dabei scheint die AfD ihre Kernwählerschaft ausbauen zu können. 14 Prozent mehr als noch 2019 sagen, dass sie die Partei aus Überzeugung wählen und nicht aus Enttäuschung über andere Parteien, also aus Protest. Dementsprechend interpretiert der Politikwissenschaftler André Brodocz den AfD-Erfolg auch nicht als Denkzettelwahl, sondern geht davon aus, dass zwei von drei AfD-Wählern eine relativ feste Parteibindung entwickelt hätten.
Zulegen konnte die AfD besonders stark bei den Erstwählern und jungen Leuten. 11 Prozentpunkte mehr als 2019 (insgesamt 16 Prozent) hat sie dort laut Infratest dimap geholt. Unter den 35- bis 44-Jährigen erreichte die AfD 20 Prozent. Am wenigsten wählen die über 70-Jährigen die Partei (8 Prozent).
Video: Reaktionen auf die Europawahl
Video: Interview mit Politikforscher Albrecht von Lucke
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