Die FPÖ hat bei der Europawahl in Österreich am besten abgeschnitten
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FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl (l.) und Spitzenkandidat Harald Vilimsky im Rahmen der Wahlparty der FPÖ in Wien.

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Warum Österreichs FPÖ erstmals auf Platz 1 gekommen ist

Zum Schluss war es knapper als vorhergesagt: Mit 25,5 Prozent kam die rechtspopulistische FPÖ in Österreich erstmals bei landesweiten Wahlen auf Platz 1. Die konservative ÖVP stürzte auf 24,7 ab. Die SPÖ erzielte 23,3 Prozent. Was gab den Ausschlag?

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Nach Schließung der Wahllokale in Österreich um 17 Uhr deuteten die ersten Prognosen zunächst noch auf einen klaren Durchmarsch der Blauen auf Platz 1 hin, wie die FPÖ im alpenländischen Politjargon genannt wird. Die Erwartungen waren hochgeschraubt, rangierten doch die Rechtspopulisten seit Wochen und Monaten in den Meinungsumfragen deutlich vor den übrigen Parteien des Landes. Zwischen 27 und 30 Prozent wurden der FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl vorhergesagt.

Doch als sechs Stunden später das vorläufige amtliche Endergebnis feststand, schwand der Vorsprung der Freiheitlichen auf nicht einmal ein Prozent vor der zweitplatzierten Volkspartei. Zum ersten Mal konnte die FPÖ bei landesweiten Wahlen mit 25,5 Prozent stärkste politische Kraft Österreichs werden, ein Plus von acht Prozent im Vergleich zu den letzten EU-Wahlen 2019. Damals, wenige Wochen nach dem jähen Absturz von Ex-Parteichef Heinz Christian Strache im Zuge der "Ibiza-Affäre", hatte die konservative ÖVP mit ihrem Kanzler Sebastian Kurz noch mehr als 34 Prozent erzielen können. Jetzt waren es nur noch 24,7 Prozent für die Volkspartei. Die Sozialdemokraten kamen auf Platz 3 mit 23,3 Prozent. Grüne und liberale Neos landeten mit 10,9 bzw. 10,1 Prozent überraschend dicht beieinander.

Wovon profitierte die FPÖ?

Es waren zwei Themen, die laut Wahlforscher bei der Europawahl in Österreich dominierten und von denen die FPÖ profitieren konnte: das Thema Sicherheit, also der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, und das Thema Zuwanderung. Jeweils 44 Prozent der Wahlberechtigten hatten vor der Stimmabgabe in Umfragen, die der öffentlich-rechtliche Sender ORF in Auftrag gegeben hatte, erklärt: Über diese Themen diskutierten sie am häufigsten.

Die FPÖ hatte im Wahlkampf mit Plakaten wie "EU-Wahnsinn stoppen", das von der Bild-Zeitung als "ekelhaftestes Wahlplakat Europas" charakterisiert worden war, zudem von einer zunehmend Europa-kritischen Stimmung in der Bevölkerung profitiert: Nahezu die Hälfte der Wahlberechtigten waren der Auffassung, dass sich die EU negativ entwickelt habe. Nur knapp 20 Prozent hatten einen positiven Eindruck von der Europäischen Union. Vor einigen Jahren noch waren die Österreicher deutlich EU-freundlicher. In diesem Segment konnte die FPÖ zusätzlich Stimmen erzielen. Österreichische Medien stellen heute mit einer gewissen Verwunderung fest, dass die Partei, deren Anhängerschaft der EU stets kritisch bis ablehnend gegenübersteht, bei der Europawahl die Nase vorne hat.

Enttäuschte ÖVP-Wähler wanderten zur FPÖ oder blieben daheim

Ohne ihren vormaligen Vorzeigekanzler Sebastian Kurz wandte sich ein erheblicher Teil der konservativen ÖVP-Wähler von der Volkspartei ab und den Rechtspopulisten zu: Laut Wahlanalysen konnte die FPÖ deutliche Zugewinne aus dem Lager der ÖVP erzielen. 25 Prozent der ÖVP-Wähler, die bei der letzten EU-Wahl 2019 noch der österreichischen Volkspartei ihre Stimme gegeben hatten, kreuzten am Sonntag auf dem Wahlzettel FPÖ an. Weitere neun Prozent der Volkspartei-Wähler von 2019 blieben dieses Mal gleich ganz zu Hause.

Einen der Gründe für das Einbrechen der ÖVP nennt das Nachrichtenmagazin "Profil": Die "ehemals stolze Europapartei" habe einen unentschlossenen Wahlkampf geführt. Bereits bei der Auswahl von Reinhold Lopatka zum Spitzenkandidaten für die EU-Wahl sei dieser von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer mit den Worten ins Rennen geschickt worden: "Danke, dass Du Dir das antust". Ein "energisches Eintreten für Europa" habe die Volkspartei vermissen lassen. Mit "Populismus-light" könne man gegen die FPÖ "nicht punkte", analysiert "Profil".

Und was heißt das für die Nationalwahlen im Herbst?

"Jetzt wird es richtig spannend", meint der Chefredakteur der "Kronenzeitung", Klaus Herrmann. Warum? Das Ergebnis der EU-Wahl lasse Rückschlüsse auf die bevorstehenden Parlamentswahlen im Herbst dieses Jahres zu. Der Abstand zwischen der FPÖ und der ÖVP sei geringer ausgefallen als prognostiziert. Zudem seien die Sozialdemokraten unter ihrem neuen Vorsitzenden Andreas Babler – erstmals – bei landesweiten Wahlen auf Platz 3 gelandet. "Ohne den Turbo ihres Wunderwuzzis" habe die Volkspartei "zwar ihr schlechtestes EU-Ergebnis" eingefahren, freue sich aber "wie ein Sieger". Die Rechtspopulisten hätten gezeigt, dass "sie Erster werden" können. Die FPÖ habe mit dem Sieg "den Takt für den längst begonnenen Wahlkampf für die Nationalratswahl im September vorgegeben", stellt der österreichische "Standard" fest.

Fünf Jahre nach dem verheerenden "Ibiza-Skandal", der im Mai 2019 das Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition von Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache besiegelt hatte, sei die Partei stärkste Kraft in Österreich geworden. In Zeiten von Krieg und Krisen sei jene Partei gewählt worden, "die einfach gegen alles ist, keine praktikablen Lösungen aufzeigt und auf Fakten pfeift." Das lasse für die Nationalratswahl nichts Gutes erwarten.

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