Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik an der Universität zu Köln.
BR24: Welche Auswirkungen wird der Amtsantritt Donald Trumps im Januar haben?
Thomas Jäger: Die ganz große Frage, die über allem steht: Wird es Trump gelingen, seinen Willen durchzusetzen? Wenn ihm das gelingt, dann werden in ganz unterschiedlichen Bereichen weitreichende Entwicklungen möglich sein, etwa beim Grenzschutz und Trumps Vorhaben, Millionen von Menschen aus den USA zu deportieren. Inwiefern Trump wirklich durchregieren kann, hängt davon ab, wie sich die internen Gegenkräfte gegen Trump aufbauen. Das betrifft auch die Handelspolitik, wo Donald Trump klare Vorstellungen hat, etwa die höheren Zölle auf chinesische Waren. Ob das so kommen wird, und welche Gegenmaßnahmen China treffen wird – all das ist eine große Unbekannte, auf die wir uns zubewegen.
Trump: Nato-Verbleib als Druckmittel gegenüber Europa
BR24: Was könnte mit Trump konkret auf Deutschland zukommen?
Jäger: Trump macht völlig klar, dass er die Nato nur dann aufrechterhält, wenn die Verbündeten, so wie er das nennt, ihre Rechnungen zahlen und viel mehr Geld für Verteidigung und Sicherheit ausgeben. Und da ist Deutschland noch nicht so gut aufgestellt, wie es müsste. Aber auch andere Staaten in Europa sind das nicht, insofern ist unklar, was Donald Trump letztlich mit der Nato machen wird.
Ähnlich ist es mit den Handelsbeziehungen zu China. Donald Trump sieht in der Auseinandersetzung mit China den großen Wettbewerb, und wenn sich diese verschärft, würde er die Europäer in den Konflikt hineinziehen. Anders als während Trumps erster Amtszeit würden sich die Europäer dann nicht auf Gegenmaßnahmen verstehen können – weil Trump dann mit dem Rückzug aus der Nato und der Ukraine-Unterstützung drohen würde. Hier sind die Europäer in einer selbstverschuldeten Situation gefangen.
Trump, der Friedensstifter?
BR24: Trump will Kriege beenden. Schafft er das?
Jäger: Donald Trump preist sich ja immer selbst dafür, dass die USA unter seiner Präsidentschaft keinen neuen Krieg begonnen haben. Und er hat sich vorgenommen, zwei Kriege zu beenden auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Den Ukraine-Krieg möchte er an einem Tag beenden, in dem er beide Parteien an den Verhandlungstisch zwingen will: Durch Drohungen an Russland und gleichzeitigen Drohungen an die Ukraine, die Unterstützung einzustellen.
Dann, so denkt er, finde sich schon eine Lösung, für die man an der jetzigen Frontlinie einen Grenzverlauf zieht und dafür der Ukraine Sicherheitsgarantien gibt. Er hat allerdings aus Moskau schon gehört: Daraus wird nichts. Russland hat andere Vorstellungen und das wird ihn in eine Zwickmühle bringen: Nämlich entweder schwach gegenüber Putin dazustehen, oder aber zu überlegen, wie er die Ukraine eben doch unterstützt.
Und was Israels Krieg in Gaza angeht: Da hat er ganz andere Töne angeschlagen, in die Richtung: “Wenn die Geiseln bis zu meinem Amtsantritt nicht frei sind, dann bricht die Hölle los.” Und auch daran wird er gemessen werden. Jedenfalls ist es so, dass in Trumps Vorstellung die Konflikte immer ganz leicht zu lösen, und in Wahrheit sind sie es nicht.
BR24: Ist 2025 das Schicksalsjahr für die Ukraine?
Jäger: Dass es einen großen Knall macht und das Ganze gelöst ist, das scheint mir relativ ausgeschlossen – weil die Interessen zu unterschiedlich sind. Russland hat immer noch das Ziel, die Ukraine zur Kapitulation zu zwingen und geht keinen Millimeter davon ab. Und die Ukraine hat das Ziel, als eigenständiger Staat weiter zu existieren und will auch dieses Ziel weiterverfolgen. Das ist nicht kompatibel, da gibt es keine Kompromisse. Insofern werden beide Seiten weiter versuchen, möglichst starke Gewinne verzeichnen zu können.
Allerdings gibt es zwei große Faktoren abseits des Schlachtfelds, die wesentlich darüber bestimmen, wie der Krieg ausgehen könnte. Das eine ist: Bleibt die Unterstützung des Westens für die Ukraine stabil oder wird sogar noch erhöht? Und die andere Frage ist: Wie lange hält die russische Wirtschaft diesen Krieg aus? Wie lange kann eine Wirtschaft mit 23 Prozent Zinsen leben? Wie lange kann ein Staat so einen hohen Anteil seines Haushalts für einen Krieg ausgeben, der offiziell ja gar nicht stattfindet? Auf diese Fragen könnte es im nächsten Jahr Antworten geben.
Trump und Deportationen: “Das wird Nachhall finden in Europa”
BR24: Weltweit sind Demokratien unter Druck, der Populismus ist auf dem Vormarsch. Wird diese Entwicklung im neuen Jahr anhalten?
Jäger: Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts dachte man: “Jetzt ist das Zeitalter der Demokratien angebrochen, jetzt werden alle Staaten nach und nach demokratisch, sogar Russland und China.“ Das Gegenteil findet jetzt statt. Die Demokratien stehen seit einiger Zeit unter Druck, und sie sind vor allem aus sich heraus schwach geworden. Und wir werden auch hier in die Vereinigten Staaten schauen müssen, welches Beispiel diese Demokratie gibt. Da werden interessante Entwicklungen zu beobachten sein, die sich dann wiederfinden in der öffentlichen Meinung in Europa und darüber hinaus. Etwa wenn die Deportationen in den USA im großen Stil laufen sollten, wird das Nachhall finden in Europa.
Das komplette Interview finden Sie oben im Video.
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