Kommt der Krieg bald auch nach Deutschland? Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hält die Bedrohungslage für ernst. Die deutschen Geheimdienste beobachten verstärkt Spionage und Sabotage aus Russland. Laut dem BND ist ein "bisher unbekanntes Niveau" erreicht. Putin wolle die Bündnisbereitschaft in der Nato testen, glaubt BND-Chef Bruno Kahl.
Strategiepapier mit detaillierten Planungen: "Operationsplan Deutschland"
Tatsächlich beginnen in Deutschland die Vorbereitungen für den Fall eines Krieges, der noch direktere Auswirkungen auf die Bundesrepublik hat als der russische Angriff auf die Ukraine. Ein Strategiepapier mit dem Namen "Operationsplan Deutschland" enthält detaillierte Planungen, wie im Verteidigungsfall vorgegangen werden sollte. Die Bundeswehr schult dazu aktuell Unternehmen, wie sie sich vorbereiten können.
"Ja, wir müssen uns Sorgen machen"
In der Verteidigung gilt: "better safe than sorry". Doch wie realistisch sind skizzierte Kriegsszenarien wirklich? Rafael Loss, Sicherheits- und Verteidigungsexperte vom European Council on Foreign Relations (ECFR), ordnet im BR24-Interview für "Possoch klärt" (Video oben, Link unten) ein: Deutschlands Streitkräfte müssen in der Lage sein, "potenzielle Aggressoren davon abzuschrecken, überhaupt einen Angriff in Erwägung zu ziehen. Und hier kann man ein paar Fragezeichen dahinter setzen, ob die Bundeswehr alleine das im Moment bewerkstelligen könnte."
Politologin und Nato-Insiderin Stefanie Babst ergänzt: "Ja, wir müssen uns Sorgen machen, aber vor allen Dingen müssen wir uns verteidigungsbereit zeigen. Und das ist etwas, was ich in Deutschland nicht so wirklich beobachten kann."
Welche Rolle spielt Deutschland im Nato-Bündnisfall?
"Was tun, wenn verbündete Truppen durch unsere Stadt müssen? Was tun, wenn Rewe und Aldi wegen Strommangel nicht öffnen können, die Straßen von Militärkolonnen genutzt werden und Wasser nicht mehr aus dem Hahn fließt?" Mit diesen Fragen versucht die Bundeswehr, Unternehmen für den Kriegsfall zu sensibilisieren. Es geht dabei vor allem um die Frage: Welche Rolle spielt Deutschland im Nato-Bündnisfall – wenn Putin beispielsweise das Baltikum angreifen sollte?
Rafael Loss vom ECFR: "Russlands Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ruhte mutmaßlich auf der Fehlannahme, dass Kiew innerhalb weniger Tage fallen würde. Zu seiner solchen Fehlannahme darf die Nato, darf Deutschland Putin in einem zukünftigen Szenario keinen Anlass geben."
Im Video: Operationsplan Deutschland: Kommt der Krieg jetzt auch zu uns? Possoch klärt!
Wie realistisch sind russische Angriffe auf bayerischem Boden?
Fragen, die derzeit wieder mehr in den Kommentaren bei BR24 auftauchen: Inwiefern steigt hierzulande die Gefahr russischer Angriffe, wenn Deutschland Waffen an die Ukraine liefert? Wie gefährdet sind bayerische Gemeinden und ansässige Rüstungshersteller? Wie realistisch sind russische Angriffe auf bayerischem Boden?
Verwiesen sei an dieser Stelle etwa auf MBDA in Schrobenhausen, wo Taurus-Raketen produziert werden, aber auch Airbus in Ottobrunn und Manching, Krauss-Maffei Wegmann in München-Allach, Diehl in Nürnberg.
"Russland würde natürlich auch diese Produktionsstätten angreifen", sagt Stephanie Babst im BR24-Interview. Aber das tue Moskau gegenwärtig nicht, weil Putin "davor zurückscheut, sich mit der Nato und damit auch mit Deutschland wirklich in einen ganz konventionellen Krieg zu begeben".
Sicherheitsexperte Loss ergänzt: "Es hat keine Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine gebraucht, damit Deutschland Ziel russischer Sabotage- und Desinformationskampagnen wurde, das hat alles vor 2022 schon stattgefunden und seitdem aber sicherlich an Intensität gewonnen."
Ob es zu einer Eskalation von militärischer Gewaltanwendung gegen Deutschland komme, habe maßgeblich damit zu tun, "wie bereit wir sind, als Gesellschaft resilient darauf zu reagieren, und wie bereit die Bundeswehr ist, solche Angriffe abzuschrecken", sagt Loss.
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