Düsseldorf, 27.01.24: Teilnehmer der Demonstration unter dem Motto "Gegen die AfD - Wir schweigen nicht. Wir schauen nicht weg. Wir handeln!"
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Düsseldorf, 27.01.24: Teilnehmer der Demonstration unter dem Motto "Gegen die AfD - Wir schweigen nicht. Wir schauen nicht weg. Wir handeln!"

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Massenproteste gegen Rechtsextremismus: "Zeichen für Demokratie"

Erneut haben Hunderttausende in Deutschland gegen Rechtsextremismus protestiert. SPD-Politiker Pistorius warnte vor einer Rückkehr "in die dunklen Zeiten des Rassenwahns". In München demonstrierten rund 10.000 Menschen gegen die Ampel-Regierung.

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In ganz Deutschland haben am Wochenende wieder viele Menschen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie demonstriert – insgesamt kamen Hunderttausende zu Kundgebungen und Demonstrationen. In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf beteiligten sich laut Polizei 100.000 Menschen, in Aachen mehr als 20.000. In Hamburg kamen laut "Fridays for Future" bis zu 100.000 Menschen zu einer Versammlung in der Innenstadt.

Demos für Demokratie in vielen bayerischen Städten

In Bayern gab es ebenfalls etliche Kundgebungen. In Sonthofen und Lindau demonstrierten jeweils rund 2.000 Menschen, in Schwabach mehr als 5.000, in Neumarkt in der Oberpfalz rund 1.500. In Ingolstadt, Hof, Passau, Fürth und Schweinfurt waren es jeweils rund 6.000. Auch in Landsberg, Füssen, Burghausen, Dillingen, Straubing, Memmingen, Aschaffenburg, Regensburg und anderen Städten wurde demonstriert.

Am Sonntag vor einer Woche hatten Veranstalter und Polizei eine Großdemonstration in München vorzeitig beendet, weil viel mehr Teilnehmer als erwartet gekommen waren. Aktuell laufen Gespräche für eine mögliche weitere Großdemo in der bayerischen Landeshauptstadt. Sie soll von einem breiten Bündnis getragen werden, inklusive CSU.

Protestforscher: "Sehr breites Bündnis"

Der Rechtsextremismus-Forscher Axel Salheiser sagte im BR24 Thema des Tages: "Das ist ein ermutigendes Zeichen für die Demokratie, dass sich so viele Menschen jetzt auf die Straße bewegen." Es handle sich um ein sehr breites Bündnis, betonte Salheiser, der am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Jena arbeitet. Anders als von der AfD verbreitet, seien es eben nicht "bestellte Claqueure für eine Ampelpolitik".

Stattdessen kämen viele, die zeigen wollten: "Wir sind die demokratische Mehrheit, wir rücken zusammen. Wir haben zwar unterschiedliche Positionen, aber eines ist klar: 'Da ist eine rote Linie. Wir wollen keinen völkischen Rassismus. Wir wollen keine antidemokratische, autoritäre Politik."

In der niederbayerischen Stadt Regen formiert sich ebenfalls Protest gegen die AfD, die dort bei der Landtagswahl im Herbst knapp 22 Prozent der Stimmen erzielt hatte. Stadtpfarrer Werner Konrad aus dem benachbarten Viechtach sagte dem BR: "Ich denke, jetzt ist es so weit." Viele Leute wollen laut ihm sagen: "Ihr seid nicht das Volk, ihr repräsentiert nicht die Mehrheit."

Geplante Großdemonstration in Berlin am 3. Februar

Am kommenden Samstag soll die bundesweite Protestwelle den Organisatoren zufolge ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Dann werden Zehntausende zu einer Kundgebung in Berlin erwartet. Zu der Veranstaltung mit dem Motto "Wir sind die Brandmauer" rufen unter anderem die Gewerkschaft Verdi, "Fridays for Future" und das Netzwerk "Hand in Hand" auf.

Auslöser der Proteste waren vor rund drei Wochen Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter, an dem einige AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen am 25. November nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen.

Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll, auch unter Zwang. Laut Correctiv nannte Sellner drei Zielgruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und "nicht assimilierte Staatsbürger". Diskutiert wurde also auch über eine Deportation deutscher Staatsbürger.

Pistorius: AfD will "Systemwechsel"

Auf einer Kundgebung in Osnabrück mit rund 25.000 Teilnehmenden sprach am Wochenende auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Er warnte, die AfD wolle einen Systemwechsel. "Sie wollen zurück in die dunklen Zeiten des Rassenwahns, der Diskriminierung, der Ungleichheit und des Unrechts." Pistorius zog einen Vergleich mit der Weimarer Republik, die nicht an ihren Feinden, sondern an der Schwäche ihrer Freunde zugrunde gegangen sei. "Heute wissen wir es besser, Geschichte darf sich nicht wiederholen", sagte der SPD-Politiker.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, hofft, dass sich die bundesweiten Proteste gegen rechts auch im Alltag niederschlagen. Die Sorge vor Rechtsextremismus sei in der Mehrheit der Gesellschaft angekommen, sagte sie dem digitalen Medienhaus Table.Media (Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Sie wünsche sich, dass jede und jeder Einzelne mit der Familie, im Freundeskreis oder im Verein aktiv ins Gespräch gehe und bei Rassismus und Verschwörungstheorien einschreite.

München: Rund 10.000 demonstrieren gegen Ampel-Politik

Unterdessen fand am Sonntag in München eine Demo statt, die sich gegen die Politik der Bundesregierung richtete. Die Veranstalter rund um das Bündnis "Hand in Hand für unser Land" hatten unter dem Motto "Der Mittelstand steht auf" zu einer Großdemo mit bis zu 50.000 Teilnehmenden aufgerufen. Tatsächlich kamen laut Polizei rund 10.000.

Ziel der Kritik war die Politik der Ampel-Bundesregierung. Auf vielen Plakaten stand "Die Ampel muss weg" oder "Wir haben Angst um unsere Zukunft". Außerdem waren Deutschland- und Bayern-Fahnen zu sehen. Reden von Politikern hatten die Veranstalter untersagt. Die Demonstrierenden beklagten etwa Subventionskürzungen für Landwirte oder die Mehrwertsteuererhöhungen für Gastronomen auf 19 Prozent. Redner sprachen sich auf der Bühne gegen Leistungen für Asylbewerber und Bürgergelderhöhungen aus. Zwischenzeitlich riefen einige Demonstrierende im Chor "Lügenpresse".

Mit Informationen von dpa und epd

Im Video: Interview mit Protestforscher Leistner

Im Video: Interview mit Protestforscher Alexander Leistner
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