Das Wort Bundesverfassungsgericht steht 27 Mal im Grundgesetz. So etwa in Artikel 115. Nur: Details etwa zur Anzahl der Richterinnen und Richter, zur nötigen Zweidrittelmehrheit für ihre Wahl, zum Ausschluss der Wiederwahl und dazu, dass sich das Gericht selbst eine Geschäftsordnung gibt, stehen eben nicht im Grundgesetz - sondern in einem separaten Gesetz, dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht. Und deshalb wird derzeit über Rechtsänderungen diskutiert.
Ziel: Bundesverfassungsgericht besser vor Eingriffen schützen
Denn der Bundestag kann solche Gesetze mit einfacher Mehrheit beschließen beziehungsweise ändern. Für Änderungen des Grundgesetzes hingegen müssen zwei Drittel der Stimmen zusammenkommen. Wenn also jetzt erwogen wird, die bestehenden Regelungen auch ins Grundgesetz zu schreiben, geht es vor allem darum, sie "änderungsfester" zu machen, wie der Bielefelder Verfassungsrechtler Christoph Gusy es formuliert. Das Grundgesetz sei bislang sehr sparsam, was das Bundesverfassungsgericht angehe.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betonte, das Gericht habe als Hüterin der Verfassung eine ganz besondere Stellung. Er hält Vorkehrungen zum Schutz des Gerichts vor Verfassungsfeinden für sinnvoll. Es würden bereits Gespräche geführt, wie dies wirksam gelingen könne, sagte der FDP-Politiker am Dienstag. Man habe in europäischen Nachbarstaaten gesehen, wie autoritäre Kräfte die unabhängige Justiz, die freie Presse und die demokratischen Institutionen angriffen, warnt auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich ebenfalls hinter die Idee gestellt. "Ich glaube, es ist eine gute Debatte, die jetzt stattfindet", sagte der SPD-Politiker bei einer Diskussion in Potsdam. Er fügte hinzu: "Es ist richtig, diese Dinge jetzt zu machen."
Erfahrungen aus Ungarn und Polen schrecken ab
Unter der Überschrift "Mehr Widerstandskraft" hatten die ehemaligen Verfassungsrichter Gabriele Britz und Michael Eichberger in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vor ein paar Wochen Änderungen gefordert: Dem einfachen Zugriff des Gesetzgebers sollten jene Strukturen des höchsten deutschen Gerichts entzogen werden, die für dessen Funktionsfähigkeit, Unabhängigkeit und zur Verhinderung einseitiger Besetzung wesentlich sind. "Das entspricht seiner Stellung als Verfassungsorgan und stärkt seine Widerstandsfähigkeit gegen unwägbare politische Entwicklungen." In den vergangenen Tagen nahm die Debatte Fahrt auf.
In der "Welt am Sonntag" regten Vertreter von SPD und FDP an, Strukturen des Karlsruher Gerichts im Grundgesetz zu verankern und Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ebenfalls nur mit Zweidrittelmehrheit zu ermöglichen. Anlass für solche Überlegungen seien Entwicklungen in Ungarn und unter der früheren PiS-Regierung in Polen sowie Verbalangriffe der AfD auf das Bundesverfassungsgericht, sagte der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Klar sei, dass man einen breiten Schulterschluss der demokratischen Fraktionen suchen muss.
Unionspolitiker zeigen sich gesprächsbereit, aber...
So teilte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Günter Krings, der Nachrichtenagentur dpa mit, seine Fraktion sei gespannt, ob es seitens der Ampel-Koalition "hier bald konkretere Vorschläge gibt." Hingegen warnte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei (CDU) vor, wie er sich ausdrückte, "wie auch immer gearteten Schnellschüssen." Er sehe derzeit keine Gefahr, dass eine politische Kraft im Bundestag und erst recht nicht im Bundesrat mehr als 50 Prozent bekommen könne. Viel größer sei die Gefahr, dass eine Kraft eine Sperrminorität von einem Drittel der Stimmen erhalten könne.
Bislang werden die 16 Richter und Richterinnen je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat jeweils mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Das Verfahren sorgt Frei zufolge dafür, dass ausgleichende Kandidaten gewählt werden, die nicht extreme Minderheitenpositionen verträten. Konkret geht es hierzulande um die Sorge, angesichts von Umfragewerten von 20 bis 30 Prozent könne die AfD an Einfluss gewinnen.
Professor Gusy überrascht nicht, dass jetzt über Änderungen gesprochen wird. Man stelle fest, dass Demokratien anfälliger seien, als man lange gedacht habe. Daher gehe es darum, präventiv tätig zu werden - bevor eine Partei zu groß werde. "Nach dem Motto: Wehret den Anfängen."
Mit Informationen der dpa
Im Audio: Kanzler Scholz für besseren Schutz des Verfassungsgerichts
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