928 zu 454 Stimmen für das Bürgerbegehren gegen den Windpark. Die Initiative "Gegenwind Altötting" kommentiert dieses Ergebnis mit Genugtuung. "Das zeigt, dass sich die Menschen für ihren Wald, für ihre Umwelt und für ihre Heimat einsetzen", so Sprecher Rainer Harböck.
Bereits in den nächsten Tagen will die Initiative Unterschriften für ein weiteres Bürgerbegehren im nahe gelegenen Haiming einreichen. In Marktl könnte eines am 9. Juni zur Europawahl stattfinden. Insgesamt gibt es sieben Anliegergemeinden des geplanten Waldwindparks, der nach den bisherigen Plänen mit 40 Windrädern der größte in ganz Bayern werden soll.
Sorge um Arbeitsplätze im Chemiedreieck
"Ernüchternd" nannte der Landesvorsitzende des Windenergieverbands, Bernd Wust, das Ergebnis des Bürgerentscheids. "Traurig" findet es Detlef Fischer vom Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Zumal gerade im Chemiedreieck doch richtig deutlich werde, wie nötig Windkraft sei für Arbeitsplätze und Wohlstand: "Wir kämpfen ja um den Erhalt der Chemieindustrie in unserem Land".
Der geplante Windpark im Altöttinger und Burghauser Forst soll eigentlich zehn Prozent des Energiebedarfs der örtlichen Chemieindustrie decken. "Die Mehringer haben die übersetzte Frage, ob Sie langfristig ihre Arbeitsplätze aufgeben wollen, mit Ja beantwortet", formulierte es mit drastischen Worten der Regensburger Professor für Energienetze und Energiespeicher, Michael Sterner.
Bayern sei kein Windland, fand früher auch die CSU
Der Windkraftverband sieht die Politik der CSU-geführten Staatsregierung in der Vergangenheit als eine Hauptursache für die ablehnende Haltung von Teilen der bayerischen Bevölkerung an. "Bayern ist kein Wind-Land" sei über mehrere Legislaturperioden verkündet worden. Das wirke nach, obwohl die CSU ihre Politik gegenüber der Windkraft inzwischen geändert hat.
Bürger gehen abrupten Kurswechsel nicht mit
Dieser recht abrupte Kurswechsel zeigte sich ebenso in der Lokalpolitik vor Ort. Der CSU-Landrat von Altötting etwa, Erwin Schneider, hatte seine ablehnende Haltung zu Windrädern erst nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor knapp zwei Jahren revidiert. Mit wenig enthusiastischen Worten.
Dem BR sagte er damals, man sei jetzt in einer absoluten Krise und müsse pragmatisch Politik machen: "Ich selbst zum Beispiel sage jetzt, was ich früher nicht getan habe, wir wollen im Landkreis Windräder haben. Die gefallen mir nach wie vor nicht. Aber da muss man über seinen Schatten springen." Offenbar vermochte es die CSU vor Ort nicht, die Mehringer Bürgerschaft für diesen Kurswechsel zu gewinnen.
Entscheidung in kleinen Gemeinden statt landkreisweit
Der Landkreis Altötting überlässt die Meinungsbildung über den geplanten Windpark weitgehend den einzelnen Gemeinden, obwohl das Projekt überregionale Bedeutung hat. Als BR24 nach dem ablehnenden Bürgerentscheid in Mehring beim Landratsamt nachfragte, wie es jetzt weitergeht, verwies es nur auf die Bayerischen Staatsforsten, auf deren Gebiet der Windpark entstehen soll.
Einen anderen Weg hatte 2021 der Landkreis Ebersberg eingeschlagen: Dort fand ein landkreisweiter Bürgerentscheid über geplante Windräder im Ebersberger Forst statt, der positiv ausging. Auch dort votierten die nahe am Wald gelegenen Gemeinden teils stärker mit Nein als der Durchschnitt.
Grafik: Standortgüte für Windkraft in Bayern
Dass Südostbayern als Schwachwindgebiet nicht geeignet für Windräder sei, ist das Hauptargument der Initiative "Gegenwind Altötting". Obwohl die planende Windkraftfirma Quair und auch der Windkraftverband versichert, man wolle und könne dort natürlich mit Windkraft Geld verdienen. Zumal die neue Generation von Windkraftanlagen mit höheren Masten und längeren Rotoren auch langsamere Windgeschwindigkeiten nutzen kann.
Die Windkraft-Gegner überzeugt das nicht: Um ein Zehntel des Strombedarfs für das Chemiedreieck zu decken, lohne es sich nicht, den größten Wald der Region für die Windkraft in Anspruch zu nehmen.
Energiewirtschaft: Auch Südbayern muss sich beteiligen
Das sei ein Grundproblem der erneuerbaren Energien, konstatiert Detlef Fischer vom Verband der bayerischen Energiewirtschaft: Dass nicht ein einzelnes Projekt das ganze Problem löse, sondern erst die Summe der Anlagen. Gleichzeitig sei es entscheidend, dass sich am Ausbau der Windkraft alle Regionen Bayerns, auch der Süden, beteiligten. "Denn sonst müssen ja die anderen Regionen noch mehr leisten. Und das wollen die nicht." Bisher stehen 70 Prozent der bayerischen Windräder in Franken. Auch dort sind weitere Großwindparks geplant.
Wer Windräder kennt, gewöhnt sich oft daran
Wenn im Südosten Bayerns Windparks abgelehnt werden, könnte das nach Ansicht von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) auch damit zusammenhängen, dass die Region bisher noch wenig Erfahrung mit Windrädern hat: "Es ist natürlich immer so, wenn neue Windparks entstehen, dass die Bürger verunsichert sind. Häufig ist es aber auch so, wenn Windräder irgendwo stehen, dann sagt man: So schlimm ist es doch nicht gewesen", sagte Aiwanger zu BR24.
Dieses Argument wird von der Forschung gestützt. In Umfragen äußern sich Bürger regelmäßig positiver zu Windkraftanlagen, wenn tatsächlich welche in der Nähe ihres Wohnorts stehen.
Staatsregierung hält an Windpark fest
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Aiwanger kündigten bereits an, an den Plänen für den Windpark im Landkreis Altötting festzuhalten. Aiwanger sagte, man müsse jetzt auf die Bürger zugehen, deren Bedenken diskutieren und versuchen, eine "Kompromisslinie" zu finden. Ziel sei es, einen Großteil der geplanten Windräder zu realisieren, weil diese wichtig seien für die Energieversorgung des Chemiedreiecks und der Bürger vor Ort.
Für problematisch hält Aiwanger im Falle dieses Windparks die "Gesamtkonstellation 40 Windräder, das ist ein Haufen Zeug, und dann ein französischer Investor". Deswegen müsse man das Projekt bürgernah aufsetzen.
Grüne: Mehr Bürgerbeteiligung wäre wichtig
Der Energieexperte der Grünen im Landtag, Martin Stümpfig, sieht sich in seiner bereits früher geäußerten Kritik bestätigt. Für eine bessere Akzeptanz der Windkraft sei eben genau eine hohe Bürgerbeteiligung entscheidend.
Die Staatsforsten hätten mit der internationalen Ausschreibung ihrer Flächen und der Begrenzung der verbindlichen Bürgerbeteiligung auf 24,9 Prozent ein Vorgehen gewählt, das die Kommunen und die Bürger vor Ort zu wenig einbinde. Deshalb müsse der Staatsforst zur früher langjährig geübten Praxis zurückkehren und den Anlieger-Kommunen die Windkraft-Claims direkt für eigene Projekte zur Verfügung stellen. Dabei sei eine sehr hohe Bürger- und Kommunalbeteiligung an den Windparks wichtig, betont Stümpfig.
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