Wer abends über den Petersplatz in Rom spaziert, kann Dutzende oder gar mehr als hundert Möwen auf einmal sehen. Aber auch in anderen Teilen Roms prägen sie inzwischen das Stadtbild, etwa in der Nähe der Fontana di Trevi. "Bevor um Mitternacht die Müllabfuhr kommt, kommen die Möwen und machen Party. Sie schnappen sich alles, was sie finden können. Sie reißen die Müllbeutel mit ihrem Schnabel auf und ziehen die Sachen raus. Die Straßen werden ein einziges Chaos", sagt Restaurant-Betreiber Giulio.
Möwen profitieren von Roms Müllproblem
Was er im römischen Lokalfernsehen berichtet, können auch Touristen selbst jeden Tag sehen. Der Regionalpräsident der Umweltschutzorganisation WWF, Raniero Maggini, betont dabei: Dass Möwen Rom für sich zum Lebensraum erklären, ist eine relativ neue Entwicklung. Mitte des 20. Jahrhunderts gab es keine Möwen in Italiens Hauptstadt, die ja immerhin rund 30 Kilometer vom Meer entfernt liegt. In den 1970er Jahren wurden dann die ersten Exemplare gesichtet, inzwischen gibt es Schätzungen, die ihre Zahl auf bis zu 40.000 beziffern.
Touristen: Vor Möwen-Attacken in Acht nehmen
Das sei angesichts überquellender Mülltonnen nicht verwunderlich, sagt der Umweltschützer Maggini. Die Seevögel ernähren sich in ihren traditionellen Lebensräumen zwar vor allem von Fisch oder Muscheln. Aber sie fressen auch gerne Pasta, Pizza oder Brot, wenn sich davon etwas finden lässt. Wer die Zahl der Möwen in den Griff bekommen wolle, müsse daher den Müll in den Griff bekommen: "Wir brauchen eine Müllentsorgung, bei der Essensreste für Tiere nicht zugänglich sind, wir brauchen eine gründlichere Straßenreinigung und die große Zahl von Mülleimern überall in der Stadt muss öfter geleert werden", sagt Maggini.
Die Stadtverwaltung von Rom hat die Bürger schon vor einigen Jahren aufgefordert, Müll so zu entsorgen, dass er nicht zur Nahrung von Tieren werden kann. Sie empfiehlt, darauf zu achten, dass Möwen nicht Balkone zu Nistplätzen machen. Restaurant-Betreiber Giulio rät Besuchern der Stadt außerdem, sie sollten vorsichtig damit sein, mit Essen herumzulaufen - nicht umsonst gibt es immer wieder Berichte von Touristen, die sich von Möwen attackiert fühlen: "Die sind gefährlich. Wenn die in einer Gruppe angeflogen kommen, die haben einen tödlichen Schnabel."
Weniger Tauben und Ratten durch Möwen
Für Menschen tödlich ist der Schnabel der Möwen eher nicht, aber für kleine Tiere sehr wohl. Es gibt Römer, die Hunde oder Katzen, wenn sie klein sind, nicht alleine auf dem Balkon ihrer Wohnung lassen. WWF-Mann Maggini bestätigt, dass die Tausenden von Möwen, die es inzwischen in Rom gibt, dafür sorgen, dass die Zahl anderer Tiere sinkt - nämlich die Zahl der Tauben und Ratten. "Sie haben gelernt, diese Tiere zu jagen, die in der Stadt in großer Zahl verfügbar sind - und sie tragen dazu bei, deren Verbreitung einzudämmen", so Maggini.
Dass die Möwen dazu beitragen, dass es weniger Tauben und Ratten gibt, sei eher begrüßenswert, findet der Umweltschützer. Problematischer sei es, dass die Möwen auch Stare jagen, die im Herbst zu Zigtausenden auf ihrem Weg ins Winterquartier auch Rom passieren. Es sei wichtig, dass das Ökosystem der Metropole sein eigenes Gleichgewicht findet, wünscht sich Maggini. Denn eines ist sicher: Die Möwen in Rom sind gekommen, um zu bleiben.
- Zum Artikel: Möwen zieht es im Winter in bayerische Städte
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