Die Schweizer Gastgeber hatten, passend zum Tagungsort über dem Vierwaldstättersee, das zweitägige, hochkarätig besetzte Gipfeltreffen von über 90 Staaten unter das naheliegende Motto gestellt: "Summit on Peace in Ukraine" – "Gipfel zum Frieden in der Ukraine".
- Zum Artikel: "Was die Ukraine-Konferenz in der Schweiz gebracht hat"
Was die eidgenössische Bundespräsidentin Viola Amherd bereits Wochen zuvor als Maßstab für Erfolg oder Misserfolg der Ukraine-Konferenz formuliert hatte, erwies sich nur in Teilen als zutreffend: Der Anspruch sei nicht, dass "ein Friedensvertrag" unterzeichnet werde. "Das wäre gar nicht realistisch in der heutigen Situation." Vielmehr gehe es darum, "eine Diskussion über einen möglichen Friedensprozess einzuläuten".
Ein Erfolg wäre es, wenn man eine Einigung über die Themen erzielen könnte, "die wir definiert haben – Humanitäres, nukleare Sicherheit, freie Schifffahrt, Ernährungssicherheit". Und die Schweizer Bundespräsidentin nannte Ende Mai noch ein weiteres Erfolgskriterium: "Wenn man sich auf eine zweite Konferenz einigen könnte, an der beide Kriegsparteien teilnehmen."
Ukraine-Konferenz mit schmaler Abschlusserklärung
Gemessen an diesen Erwartungen konnte die Gastgeberin die Ukraine-Konferenz nur bedingt als Erfolg bewerten: 80 der 92 teilnehmenden Staaten stimmten der schmalen Abschlusserklärung zu. Das Völkerrecht werde als Grundlage für "die Erreichung eines umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens in der Ukraine" dienen, einschließlich der "Grundsätze der Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten". Damit habe die "toxische Forderung nach territorialen Kompromissen, nach einer Lösung gemäß dem Prinzip 'Land gegen Frieden'" keine Chance gehabt, wie die "Neue Zürcher Zeitung" zutreffend kommentiert.
Allerdings unterschrieben einflussreiche Länder die Abschlusserklärung nicht, die mit Russland durch ihre gemeinsame Mitgliedschaft in der sogenannten "BRICS"-Gruppe verbunden sind - etwa Südafrika, Indien und Brasilien. Die ursprüngliche Textfassung, in der von "Russlands Aggression gegen die Ukraine" die Rede war, findet sich in dem Kommuniqué nicht mehr wieder.
Wie geht es weiter: Diplomatie auf praktische Themen richten
Das sei ein "Eröffnungsgipfel" gewesen, wie Igor Zhovkva, der Vize-Chef des ukrainischen Präsidentenbüros bilanziert. Es sei darum gegangen, viele Länder zusammenzubringen, "die bereit sind zu handeln, um der Ukraine einen gerechten Frieden zu bringen". Ausdrücklich ging es auf ukrainischen Wunsch nicht um die offenkundig dringlichen Fragen nach Militärgütern, Munition und Mannschaftsausrüstung. Vielmehr richtete Selenskyjs Team das Augenmerk auf einen Teilbereich des sogenannten "Zehn-Punkte-Friedensplans", für den der ukrainische Präsident seit Langem wirbt.
"Während dieses ersten Treffens", so Selenskyjs Vize-Bürochef, "haben wir beschlossen, uns auf drei Elemente zu konzentrieren - nukleare Sicherheit, Lebensmittelsicherheit und die Rückkehr unserer in Russland festgehaltenen Menschen -, da sich heute die meisten Mitglieder der Weltgemeinschaft über diese drei Punkte einig sind".
Die außenpolitische Absicht der Ukraine ist offensichtlich: In Abwesenheit jeder tatsächlichen Verhandlungsbereitschaft Russlands versucht die Ukraine ein breites Bündnis an Unterstützerstaaten zu bilden. Dabei geht es vor allem um die Länder des sogenannten "globalen Südens". Denn: Auch "andere Länder haben Einflussmöglichkeiten auf Russland, die sie nutzen können", wie es Zhovkva auf der Konferenz formuliert. Das Ziel der internationalen Gemeinschaft werde es sein, "Russland in allen Bereichen die Mittel der Aggression zu entziehen. Denn Russlands Aggression setzt sich nicht nur auf dem Schlachtfeld fort".
Hohe Aufmerksamkeit des Kremls
Der Druck war beachtlich, den Russlands Präsident Putin unmittelbar vor der Ukraine-Konferenz auf die Teilnehmerstaaten in der Schweiz ausüben wollte. Er wiederholte am Freitag öffentlichkeitswirksam seine Forderungen, wonach die vier östlichen Oblasten der Ukraine abzutreten seien und die Ukraine unter keinen Umständen Mitglied der NATO werden könne. Das sei, so bemerkte die italische Regierungschefin Giorgia Meloni während der Ukraine-Konferenz mit ironischem Unterton, kein sehr zielführender Vorschlag, "die Ukraine aufzufordern, die Ukraine zu räumen".
Präsident Selenskyj gab mit Blick auf die beständigen Einwände Russlands, ohne Moskau könne es keine Einigung geben, folgerichtig zu Protokoll: "Es gibt hier kein Russland, denn wenn Russland am Frieden interessiert wäre, gäbe es keinen Krieg." Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte Moskau die Konferenz, deren außenpolitische Wirkung noch nicht abzuschätzen ist. In den bissigen Kommentaren, etwa des Chefs des russischen Auslandsgeheimdienstes Sergej Naryschkin, beim nächsten "Angebot" Putins an die Ukraine würden die Bedingungen noch härter ausfallen, spiegeln sich diese Besorgnisse wider.
Gibt es eine zweite Konferenz?
Eine Nachfolgekonferenz ist derzeit nicht anberaumt. Es gibt allerdings Bemühungen der Ukraine, noch vor den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November ein Spitzentreffen in einem vergleichbaren Format zu organisieren. Hoffnungen setzt die Ukraine dabei auf Saudi-Arabien, das unter anderem über gute Beziehungen zu den beiden Veto-Mächten im UN-Sicherheitsrat verfügt, die die Konferenz in der Schweiz als überflüssig diskreditieren: China und Russland.
Unmittelbar vor der Konferenz war Präsident Selenskyj nach Riad gereist. Das saudische Königshaus entsandte mit Außenminister Faisal bin Al Saud einen ausgesprochen hochrangigen Vertreter an den Vierwaldstättersee. "Wir hoffen", so bilanzierte der saudische Chefdiplomat, "dass dieser Gipfel die Grundlage für einen politischen Weg zur Lösung des Konflikts bildet." Saudi-Arabien habe seine Bereitschaft gezeigt, "den Konflikt zu entschärfen, je näher er einer Lösung kommt". Aber, so diese Einschätzung zutreffend sein dürfte, "der Weg zum Frieden wird einige schwierige Kompromisse als Teil eines Fahrplans erfordern".
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