Archivbild (28.08.2024): Israelischer Militäreinsatz in Tubas, Westjordanland
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Nutzt Israels Armee Zivilisten in Gaza als Schutzschild?

Nutzt Israels Armee Zivilisten in Gaza als Schutzschild?

Israel nennt seine Armee die "moralischste der Welt". Eine ARD-Recherche legt nahe, dass palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde bei israelischen Militäreinsätzen im Gazastreifen herhalten müssen. Dafür gibt es zahlreiche Hinweise.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Mehr als 40.000 tote Palästinenserinnen und Palästinenser: das ist die Bilanz nach elf Monaten Krieg im Gazastreifen zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas. Das israelische Militär argumentiert, die Hamas nutze die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen als menschliche Schutzschilde. Eine ARD-Recherche zeigt, dass offenbar beim israelische Militär palästinensische Zivilisten als Schutzschilde eingesetzt werden.

Palästinenser: "Entweder kommt ihr mit oder wir töten euch"

Ein junger Palästinenser, Mohammed Saad, erzählt dem ARD-Studio in Tel Aviv, israelische Soldaten hätten ihn entführt und gesagt: "Entweder kommt ihr mit oder wir töten euch." Die Aufgabe von Mohammed Saad: Er sei von der israelischen Armee vorangeschickt worden, wenn Gefahr drohte. "Sie haben mich und jemanden anderes losgeschickt. Sie haben uns eine Kamera in die Hand gegeben, zusätzlich zur Kamera am Helm. Und sie haben uns per Kopfhörer gesteuert und gesagt: Bleib hier, geh dorthin, filme dieses Haus, halte auf dieser Straße." 15 Tage lang sei das so gegangen, erzählt er. Stimmt das, was Mohammad Saad berichtet, dann hat die israelische Armee ihn als menschlichen Schutzschild eingesetzt.

Palästinenser als Schutzschilde – Keine Einzelfälle, sondern Methode

Belege für diese Methode gibt es auch von Seiten der israelischen Organisation "Breaking the Silence". Dort melden sich schon seit Monaten immer wieder Soldaten, die im Gazakrieg im Einsatz waren und die berichten, wie palästinensische Zivilisten in Gaza eingesetzt werden. Der Direktor der Oraganisation, Nadav Weiman, erzählt: "Die IDF (Israeli Defence Forces, Anm. d. Red.) nimmt einen Palästinenser aus der humanitären Zone und bringt ihm zu den Kampftruppen in Gaza in unterschiedlichen Einheiten. Sie ziehen ihm eine Armeeuniform an, mal bekommt er eine Kamera an der Brust oder auf einem Helm. Und dann werden sie losgeschickt, um Tunnel oder Häuser zu durchsuchen, oder Gebiete, in die die Truppen rein wollen. Das heißt, sie prüfen, ob es Bomben gibt, Sprengfallen, oder ähnliches."

Praxis widerspricht humanitärem Völkerrecht

Zwei bis drei neue Zeugenaussagen bekommt Breaking the Silence jede Woche. Sie belegen für Nadav Weiman, dass es nicht um Einzelfälle geht. Bei den Palästinensern, die in Gaza offenbar so eingesetzt werden, handelt es sich um unschuldige Zivilisten. Das zeigt sich auch daran, dass sie nach einiger Zeit wieder freigelassen werden. Für Weiman widerspricht diese Praxis nicht nur dem humanitären Völkerrecht – sondern auch den ethischen Standards der israelischen Armee: "Wir glauben, dass wir eine Armee brauchen und uns verteidigen müssen. Aber was wir in Gaza sehen, ist keine Selbstverteidigung, das ist ein politischer Krieg. Wir töten ja sogar unsere Geiseln, während wir in Gaza kämpfen."

Die israelische Armee reagiert auf ARD-Anfrage mit einer Standardantwort: "Die Richtlinien der IDF verbieten den Einsatz gefangener Zivilisten in Gaza in militärischen Missionen, die sie in Gefahr bringen. Die Vorwürfe wurden zur Untersuchung an die Zuständigen weitergeleitet."

Bereits im Juni dieses Jahres sorgten Bilder für Entsetzen, als israelische Soldaten bei einem Militäreinsatz im besetzten Westjordanland einen verletzten Palästinenser auf die Motorhaube eines Jeeps gebunden hatten. Menschenverachtende Social-Media-Posts israelischer Soldaten sorgen zudem immer wieder für Kritik an Israels Militär.

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