Die Zeit drängt: Ende der kommenden Woche wollen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten entscheiden, wie sich ARD, ZDF und Deutschlandradio verändern sollen. Es geht um den Reformstaatsvertrag. Neben Überlegungen zu Senderstreichungen sorgen dabei geplante Regelungen zu Texten im Internet für Diskussionen.
Diese sollen künftig kürzer sein und noch stärker in Zusammenhang mit Sendungen in Radio oder Fernsehen stehen, die zuerst gesendet sein müssten. BR-Chefredakteur Christian Nitsche sieht diese Pläne kritisch. Dies könnte dazu führen, dass Menschen zum Beispiel auf BR24.de langsamer informiert werden. Es müsse erst auf Radio oder TV gewartet werden, so Nitsche. Das widerspreche dem Auftrag, alle Menschen auf verschiedenen Wegen schnell zu erreichen.
Hintergründe zu Reformplänen
Hintergrund der Regelungen sind Sorgen der Zeitungsverlage. Diese klagen seit langem, dass öffentlich-rechtliche Text-Angebote ihren Angeboten zu große Konkurrenz machen würden und zu "presseähnlich" seien. Dieser Punkt wurde in den Reformplänen aufgegriffen. Entworfen wurden diese von der Rundfunkkommission der Bundesländer. Deren Koordinatorin Heike Raab (SPD), stellte im BR24-Interview fest, dass die Öffentlich-Rechtlichen im Laufe der Zeit immer mehr Texte online veröffentlicht hätten. Zudem sei deren Länge "sehr ausgeweitet" worden.
Kai Gniffke ist der aktuelle Vorsitzende der ARD, zu der auch der Bayerische Rundfunk gehört. Er zeigt Verständnis für die Sorgen der Verleger. Diese seien bedroht von Plattformbetreibern aus Übersee, die Werbeeinnahmen abschöpften, so Gniffke im dpa-Interview. Gleichzeitig ist er überzeugt, dass die im Reformstaatsvertrag geplanten Änderungen die Situation nicht verbessern werden. Menschen, die nicht mehr öffentlich-rechtliche Inhalte nutzen könnten, würden eher zu den großen Tech-Konzernen abwandern, so der ARD-Chef. "Sie würden eben nicht Regionalzeitungen abonnieren."
Wird das Internet für die Öffentlich-Rechtlichen "zugelötet"?
Kai Gniffke ist generell überzeugt, dass es nicht der richtige Weg sein könne, wenn man sage: "Jetzt löten wir das Internet für die Öffentlich-Rechtlichen zu." Gleichzeitig schlägt Gniffke eine Selbstverpflichtung der Öffentlich-Rechtlichen vor, um den Konflikt beizulegen. Dies könnte ein "Game-Changer" sein, hofft er.
Gniffke bringt zuerst eine Änderung der Bezugsgröße für die Überprüfung ins Spiel, wenn es darum geht, ob etwas presseähnlich ist. Dies könnte künftig nicht mehr das Gesamtangebot, sondern jedes Teilangebot, also jede einzelne App, sein. Außerdem könnten die Rundfunksender in ihren Beiträgen die Verlinkung auf Angebote von Presseverlagen zum Standard machen. Auch könnten Fristen verkürzt werden, in denen Texte mit Sendungsbezug veröffentlicht werden dürfen. Das ZDF hatte bereits ähnliche Vorschläge angedeutet.
Ist der Vorschlag geeignet, die Situation zu entschärfen? Auf Nachfrage von BR24 erklärt der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), dass man von Gniffkes Ansätzen wenig halte. Es gehe um eine rechtssichere und deshalb gesetzliche Regelung. Mit unverbindlichen, freiwilligen Regelungen sei in den letzten Jahren "keine nachhaltige Verbesserung der Situation zu erreichen" gewesen.
Enger Zeitplan
Gniffke selbst verweist darauf, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um seinen Vorschlag zu beraten. Vom 23. bis 25. Oktober werden die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten voraussichtlich über die Reformpläne entscheiden. Sie müssen dabei insgesamt mehrere tausend Stellungnahmen und Anmerkungen mit einbeziehen. Diese wurden von Bürgern und Organisationen in den vergangenen Wochen abgegeben.
Für große Kritik hatte unter anderem die geplante Zusammenlegung des Kultursenders 3Sat mit dem deutsch-französischen Sender Arte gesorgt. Ziel der Reformpläne ist eine Senkung der Ausgaben und eine transparentere Organisation der Öffentlich-Rechtlichen. Dabei gilt: Die Politik gibt den Rahmen vor, also etwa die Zahl der Sender. Auf konkrete Inhalte hat sie keinen Einfluss.
Offen ist, ob und wie die Ländervertreter über den weiteren Umgang mit dem Rundfunkbeitrag entscheiden werden. Eigentlich ist geplant, dass dieser am 1. Januar um 56 Cent auf dann 18,94 Euro steigen soll. Fest steht bereits jetzt: Dem, was auf Ministerpräsidentenebene entschieden wird, müssen die 16 Landtage noch zustimmen. Es wird also bis weit ins Jahr 2025 dauern, bis eine Reform für ARD, ZDF und Deutschlandradio greifen wird.
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