Für die Regierungsbildung in Österreich will der rechte FPÖ-Chef Herbert Kickl wie erwartet Verhandlungen mit der konservativen ÖVP beginnen. "Es ist meine Absicht, dem Parteipräsidium vorzuschlagen, mit der ÖVP in Verhandlungen einzutreten", sagte Kickl in Wien. Dabei nannte er Bedingungen: "Keine Spielchen, keine Tricks, keine Sabotage, keine Quertreiberei", warnte der FPÖ-Politiker bei seinem ersten Pressestatement nach dem Auftrag zur Regierungsbildung.
Falls die ÖVP seinen Kriterien nicht folge, drohte Kickl bereits mit Neuwahlen: "Wir sind dafür gerüstet." Er hielt der bisherigen Regierung vor, dass sie das Land an die Wand gefahren und ein riesiges Budgetloch hinterlassen habe. Konkrete Schritte, wie er dieses zentrale Problem der österreichischen Politik lösen wolle, nannte Kickl nicht. Grundsätzlich vermied er Äußerungen zu konkreten Projekten. Auch Fragen waren bei dem Presse-Auftritt nicht erwünscht.
Politologe Filzmaier: "An engen Kontakten interessiert"
Der österreichische Politikwissenschaftler Peter Filzmaier rechnet nicht damit, dass eine FPÖ-ÖVP-Koalition unmittelbar viele Folgen für Deutschland oder Bayern hätte. Innerhalb der ÖVP habe der Wirtschaftsflügel Druck gemacht, dass es zu einer Einigung mit der FPÖ kommen könnte, sagte Filzmaier bei BR24live. "Deutschland ist der größte Exportpartner für Österreich. Insofern ist man hier an engen Kontakten interessiert."
Österreich stünden turbulente Zeiten bevor und die Polarisierung sei nicht vorbei, betonte Filzmaier. Ein Kanzler Kickl würde laut ihm noch viel mehr als bisher stehen für "national, oft nationalistisch". Gleichzeitig sagte der Politologe, in Österreich habe es schon unter dem früheren ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz einen Rechtsruck gegeben.
Bei den Koalitionsgesprächen zwischen FPÖ und ÖVP dürfte es laut Filzmaier zwar Einigkeit in Sachen strenger Zuwanderungspolitik geben. Bei der internationalen Politik sieht der Politologe aber teils gravierende Unterschiede. Beispielsweise sei die FPÖ strikt gegen die österreichische Beteiligung am europäischen Raketenabwehrsystem "Sky Shield", die ÖVP sei bisher dafür. Das gleiche gelte für die Sanktionen gegen Russland. "Letztlich wird die FPÖ sich wahrscheinlich durchsetzen."
FPÖ: Auftrag zur Regierungsbildung seit Montag
Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte Kickl am Montag mit der Regierungsbildung beauftragt. Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen, ehemaliger Grünen-Chef, hatte zu erkennen gegeben, dass ihm dieser Schritt nicht leicht fiel. Kickl wäre der erste FPÖ-Kanzler in Österreich.
Zuvor waren Bemühungen des Noch-ÖVP-Bundeskanzlers Karl Nehammer gescheitert, ein Bündnis ohne die rechtspopulistische FPÖ zu schmieden. Die FPÖ hat die Parlamentswahl im September gewonnen und mehr Stimmen geholt als die ÖVP. Es sei kein Lebenstraum von ihm, Kanzler zu werden, erklärte Kickl bei seinem Statement. "Wer das behauptet, hat keine Ahnung von mir." Aber er lasse sich durch die Wähler in die Pflicht nehmen.
Zunächst wird Bundeskanzler Nehammer, der bereits als ÖVP-Parteichef zurückgetreten ist, auch das Amt des Regierungschefs offiziell aufgeben. Das soll am Freitag passieren. Dem Vernehmen nach wird Bundespräsident Van der Bellen bereits morgen eine Nachfolge präsentieren. Diese Person wird die Regierungsgeschäfte bis zur Vereidigung einer neuen Regierung führen.
Mit Informationen von AFP und dpa
Zum Anschauen: BR24live – Kanzler Kickl in Österreich: Was würde das für uns bedeuten?
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