Jahrelang hatte er mit Intellekt und rhetorischer Schärfe die rechte FPÖ von der zweiten Reihe aus mitgestaltet. Nun wurde Herbert Kickl, der keine Berührungsängste mit den rechtsextremen Identitären hat, der Regierungsauftrag erteilt.
- Weitere Infos und Hintergründe zu Kickl auf tagesschau.de: "Die Brandmauer ist zerbröckelt"
Kickl führt die FPÖ seit 2021 an – und hat die Partei so weit nach rechts gerückt wie kaum ein Parteichef vor ihm. Politische Beobachter und Extremismus-Forscher sind sich einig: Die FPÖ hat sich unter Kickl radikalisiert. Sie ist während der Corona-Pandemie ans Verschwörungs-Milieu herangerückt und auch an die Identitäre Bewegung. Die Partei hat auch Forderungen der rechtsextremen Bewegung übernommen, etwa die nach einer "Remigration", die Herbert Kickl im Wahlkampf immer wieder als Ziel ausgab.
Kickl profitiert von Ibiza-Affäre
Die Rechtspopulisten waren nach der Ibiza-Affäre rund um ihren Ex-Chef Heinz-Christian Strache 2019 schwer angeschlagen. In einem Video hatte Strache den Eindruck vermittelt, dass er anfällig für Korruption sei und Medien politisch steuern wolle.
Der langjährige FPÖ-Generalsekretär Kickl wurde 2019 zum Fraktionschef, 2021 übernahm er die Parteiführung. Der Aufstieg des passionierten Langstreckenläufers fiel in die Zeit der Corona-Pandemie. Kickl und die FPÖ machten sich als Oppositionspartei zum Sprachrohr der Gegner von Lockdowns und Zwangsimpfungen. Kein gutes Haar ließ der Rechtspopulist an der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er warf ihr vor, eine "Gesundheitsdiktatur" anzustreben.
Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine positionierte sich der EU-kritische Kickl als Gegner von EU-Sanktionen gegen Moskau, die er als wichtigen Grund für die Teuerung sieht. Damit sprach Kickl bei den Themen Pandemie und Ukraine Stimmungen in der Bevölkerung an, die von anderen Parteien kaum abgedeckt wurden.
Remigration: "Ich weiß gar nicht, was an diesem Wort so böse sein soll"
In Sachen Asyl und Migration verfolgt Kickl einen restriktiven Kurs. "Flüchtlinge, die glauben, sich nicht an unsere Regeln halten zu müssen", sollten das Land verlassen, sagt er. Dafür benutzt er den Begriff "Remigration". "Ich weiß gar nicht, was an diesem Wort so böse sein soll", sagte er im Wahlkampf.
"Remigration" wird unterer anderem von der Identitären Bewegung propagiert, die in Österreich als rechtsextrem eingestuft ist. Die Gruppierung sei aus seiner Sicht "so etwas wie eine NGO von rechts", sagte Kickl einem TV-Sender.
Kickl als "Sicherheitsrisiko"?
Der scheidende Kanzler und ehemalige ÖVP-Chef Karl Nehammer hat Kickl als "Sicherheitsrisiko" bezeichnet. Das hängt nicht nur mit Kickls mangelnder Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen zu tun, sondern auch mit seinen Russland-freundlichen Positionen und seiner Amtsführung als Innenminister.
Kickl übte dieses Amt von 2017 bis 2019 in einer ÖVP-FPÖ-Regierung aus. Aus Sicht seiner Kritiker hinterließ er verbrannte Erde. Denn unter Minister Kickl führte die Polizei eine Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung durch. Die Folge: Ausländische Partnerdienste schränkten ihre Geheimdienst-Kooperation mit Österreich ein.
"Fahndungsliste der Verantwortungsflüchtigen"
Kickl wurde 1968 in eine Arbeiterfamilie im südlichen Bundesland Kärnten geboren. Als junger Mann begann er in der FPÖ-Parteiakademie als Wahlkampf-Spezialist zu arbeiten. Geschichte und Philosophie studierte er ohne Abschluss. Für den FPÖ-Politiker Jörg Haider, mit dem in den 1980er Jahren der Höhenflug der Rechten begann, schrieb er Reden. Haider war sein Mentor; Ungarns rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban sieht Kickl als Vorbild.
Sprachliche Gratwanderungen und Grenzüberschreitungen pflastern Kickls politischen Weg. Der von ihm genutzte Begriff "Volkskanzler" wird mit den Nationalsozialisten in Verbindung gebracht, das Wort wurde jedoch auch schon von anderen Parteien verwendet. 2024 sagte er in einer Neujahrsrede, dass er im Zusammenhang mit der politischen Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen bereits "eine lange Fahndungsliste der Verantwortungsflüchtigen" erstellt habe - darunter Kanzler Nehammer und mehrere Minister.
Im BR4live: Was würde ein Kanzler Kickl für Deutschland bedeuten?
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!