Ihren Wahlsieg in Österreich verdankt die FPÖ, die 1,4 Millionen Stimmen erhielt, im Wesentlichen drei Faktoren. Zum ersten erhielten die Rechtspopulisten rund ein Drittel ihrer Stimmen von ehemaligen Wählern der konservativen ÖVP: 443.000 Wähler, die noch bei den letzten Nationalratswahlen ihr Kreuz bei der Österreichischen Volkspartei gemacht hatten, wechselten zur FPÖ. Das war laut Aussage des österreichischen Politikexperten Peter Filzmaier der größte Wählerstrom, der je in Österreich berechnet werden konnte.
FPÖ konnte Nichtwähler und Unzufriedene mobilisieren
Zum zweiten konnte die FPÖ unter ihrem Parteichef Herbert Kickl in Scharen bisherige Nichtwähler aktivieren. Mehr als 250.000 der FPÖ-Stimmen stammten von Wählerinnen und Wählern, die 2019 daheim geblieben waren.
Schließlich drittens: Die Rechtspopulisten konnten einen wesentlichen Teil derjenigen Wähler für sich gewinnen, die unzufrieden mit der Regierungskoalition von ÖVP und Grünen waren. Insgesamt waren knapp 57 Prozent der Wähler laut einer vom ORF erhobenen Umfrage mit der Regierung unter dem ÖVP-Kanzler Karl Nehammer unzufrieden. Von diesen Unzufriedenen gaben mehr als 40 Prozent der FPÖ ihre Stimme.
Welche Bevölkerungsgruppen wählten die FPÖ?
Die weit verbreitete Annahme, dass vor allem die jungen und überwiegend männlichen Wahlberechtigten für die Rechtspopulisten stimmen, trifft nicht mehr zu. Nach Angaben der ORF-Umfrageerhebungen finden sich die meisten FPÖ-Wähler in der Altersgruppe der 35- bis 59-jährigen Wähler. Mit 37 Prozent konnte die FPÖ in dieser mittleren Altersgruppe die höchsten Werte erreichen.
Stimmten vormals überwiegend Männer für die FPÖ, so konnten die Rechtspopulisten bei den Wählerinnen dieses Mal deutlich Boden gut machen. Unterschiede seien bei dieser Nationalratswahl bei den FPÖ-Stimmen nicht mehr zu erkennen gewesen. Mit Blick auf den Bildungsabschluss verzeichnete die FPÖ bei Wählerinnen und Wähler ohne Abitur - in Österreich Matura genannt - mit bis zu 35 Prozent hohe Stimmengewinne. Bei Arbeitnehmern mit geringeren Schulabschlüssen konnte die FPÖ nahezu die Hälfte dieser Bevölkerungsgruppe von sich überzeugen.
Warum sind so viele von der ÖVP zur FPÖ?
Ohne einen Rückblick auf die Nationalratswahl von 2019 lassen sich die jetzigen Wahlergebnisse nicht vollständig erklären. Damals hatte ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz mit 37,5 Prozent der Stimmen einen großen Wahlsieg für die Volkspartei einfahren können. Wenige Wochen nach der sogenannten "Ibiza-Affäre", die das abrupte Ende der Regierungskoalition aus Volkspartei und FPÖ unter ihrem ehemaligen Parteichef Heinz Christian Strache ausgelöst hatte, straften viele FPÖ-Wähler die Freiheitlichen ab. Sie blieben zuhause oder gaben der ÖVP unter Sebastian Kurz ihre Stimme.
Jetzt, 2024, schlug das Pendel wieder zurück. Enttäuschte ÖVP-Wähler machten wieder bei der FPÖ ihr Kreuzchen. Die Volkspartei schmolz wieder auf die Größe zusammen, die vor der steilen Politkarriere von Sebastian Kurz eher üblich war: zwischen 20 und 25 Prozent der Stimmen.
Die österreichische Tageszeitung "Kleine Zeitung" gab einen Dialog zwischen einem ORF-Reporter und einem ÖVP-Parlamentsabgeordneten am Wahlabend wieder, der die Lage der Volkspartei gut charakterisierte: "Herr Abgeordneter, darf ich Sie um eine kurze Analyse dieses Wahlergebnissen bitten", habe der Reporter wissen wollen. Der Parlamentarier habe lächelnd erwidert: "Meine Kurz-Analyse lautet: kein Kurz."
Im Video: Schwierige Regierungsbildung in Österreich erwartet
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