Die SPD-Führung bemüht sich bislang vergeblich um ein Ende der Debatte über die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz für die Bundestagswahl im kommenden Jahr. Kritik am Vorgehen der Parteispitze kommt jetzt vom eigenen Parteinachwuchs.
Juso-Chef über Scholz: "Man krönt sich nicht selbst"
Juso-Chef Philipp Türmer hält die Frage des SPD-Kanzlerkandidaten noch nicht für entschieden. "Es gibt keine Selbstkrönung. Man krönt sich nicht als Kanzler wieder selbst zum Kandidat, sondern das ist eine Entscheidung der Partei und ihrer Gremien", sagte der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation im Deutschlandfunk.
Die Partei lege sich fest, wenn Präsidium oder Vorstand einen Vorschlag machten und ein Parteitag dann darüber entscheide. "Und bis dahin ist die Frage für mich offen", sagte Türmer. "Wir müssen mit dem Kandidaten oder der Kandidatin in den Wahlkampf ziehen, mit dem wir die größten Chancen haben", mahnte der Juso-Chef.
Scholz bislang nicht nominiert – Kritik wird lauter
Die SPD-Spitze hat zwar immer wieder ihre Unterstützung für Scholz als Kanzlerkandidaten betont, aber ihn nach der Entscheidung für eine Neuwahl bisher nicht nominiert. Zuletzt hatten nach mehreren Kommunalpolitikern auch zwei SPD-Bundestagsabgeordnete – Joe Weingarten und Johannes Arlt – offen für eine Kandidatur von Verteidigungsminister Boris Pistorius plädiert. Beide gehören nicht zur ersten Reihe der Fraktion, sind aber Mitglieder im Verteidigungsausschuss.
Scholz selbst hatte bereits im Juli erklärt: "Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden." Für den 30. November plant die SPD in Berlin eine "Wahlsiegkonferenz", auf der der Kanzlerkandidat seinen ersten großen Auftritt haben soll. Pistorius erreicht in Umfragen allerdings deutlich höhere Beliebtheitswerte als der Kanzler.
Pistorius: Alles läuft auf Scholz hinaus
Der Bundesverteidigungsminister hatte sich am Sonntagabend erneut hinter Scholz gestellt – und gleichzeitig eine Hintertür offengelassen. "Wir haben einen Kanzlerkandidaten, der ist der jetzige Kanzler", sagte Pistorius am Sonntag in Berlin mit Blick auf Olaf Scholz. "Es läuft alles darauf hinaus."
Er sei mit seiner Aufgabe als Verteidigungsminister sehr zufrieden. Man habe einen herausragenden Kanzler. "Der hat entschieden, dass er weitermachen will." Beim Parteitag am 11. Januar werde die Partei spätestens entscheiden. Am Nachmittag sagte Pistorius bei einem Termin in Donauwörth: "Hypothetische Fragen beantworte ich nicht. Wir sind hier bei Airbus, wir reden über Helikopter."
SPD-Chefin Esken hält Scholz für gesetzt
SPD-Chefin Saskia Esken bekräftige derweil ihre Unterstützung für Scholz. "Wir sind entschieden, mit Olaf Scholz in den Bundestagswahlkampf zu gehen und mit ihm gemeinsam diese Bundestagswahl auch zu gewinnen. Er ist unser Kanzler und er ist unser Bundeskanzler, unser Kanzlerkandidat", sagte Esken im ARD-"Morgenmagazin".
Auf die Frage, warum es keinen Beschluss für Scholz im Parteivorstand gab, antwortete sie: "Weil es so klar ist. Deswegen ist ein Parteivorstandsbeschluss an der Stelle auch nicht unbedingt notwendig." In den nächsten Tagen würden die notwendigen Schritte für den Bundestagswahlkampf beschlossen.
Auch Klingbeil stellt sich hinter Scholz
Zuvor hatte schon der zweite SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil angekündigt, man werde in den nächsten Tagen den weiteren Fahrplan festlegen: "Es geht um einen Weg, den wir jetzt bis zum Bundesparteitag gehen", sagte er in der ARD. Klingbeil betonte: "Wir wollen mit Olaf Scholz in diesen Wahlkampf gehen." Das hätten alle, die in der Parteispitze Verantwortung tragen, deutlich gesagt.
Mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete forderten eine schnelle Entscheidung. Der Abgeordnete Axel Schäfer vom linken Parteiflügel sagte dem "Stern", die Parteispitze solle "jetzt die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz rasch beschließen". Auch der Wirtschaftsexperte Bernd Westphal sagte dem Magazin, die SPD-Spitze solle "noch in diesem Jahr" Klarheit schaffen. Ähnlich äußerte sich der Münchner Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff, der auch Mitglied im SPD-Vorstand ist.
Klingbeil räumt ein: Es gibt Grummeln
Klingbeil räumte allerdings ein, dass es in der Partei ein Grummeln über Scholz gebe. Er glaube aber nicht, dass man diese Diskussion mit einem Vorstandsbeschluss in den letzten Tagen hätte tottreten können. "Natürlich gibt es diese Debatte, und ich sehe auch, dass einzelne Abgeordnete sich äußern."
Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters
Im Video: Pistorius bei Hubschrauberübergabe in Bayern
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