Angesichts des Ukraine-Kriegs hat Kanzler Olaf Scholz den Zusammenhalt zwischen den EU-Mitgliedsstaaten betont. Dass ein Krieg zwischen EU-Mitgliedstaaten heute unvorstellbar sei, sei die größte Errungenschaft der europäischen Einigung, sagte Kanzler Scholz bei einer Regierungserklärung zum außerordentlichen EU-Gipfel Ende des Monats. Aber Frieden sei nur möglich, wenn man bereit sei, ihn zu verteidigen.
Die Europäische Union habe in den vergangenen Jahren unterschiedliche Herausforderungen und Krisen bewältigt. Der Krieg in der unmittelbaren Nachbarschaft sei ohne jeden Zweifel die größte. Aber diese Krise zeige erneut: "Je größer der Druck von außen ist, desto entschlossener und geeinter handelt die Europäische Union", so Scholz.
Scholz akzeptiert keinen "Diktatfrieden Putins"
Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs am 30. und 31. Mai in Brüssel wird es vor allem um Putins Angriffskrieg in der Ukraine gehen. "Einen Diktatfrieden wird es nicht geben, weil die Ukrainer ihn nicht akzeptieren und wir auch nicht", betonte Scholz in seiner Regierungserklärung.
"Uns alle eint ein Ziel: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, die Ukraine muss bestehen", hob Scholz hervor. Erst wenn Russlands Präsident Wladimir Putin begreife, dass er die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine nicht brechen könne, "wird er bereit sein, ernsthaft über Frieden zu verhandeln". Dafür sei es wichtig, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken.
Im Helfen "liegt keine Eskalation"
Scholz sicherte dafür weiterhin deutsche Unterstützung zu - bei Sanktionen gegen Russland, der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter, wirtschaftlicher Hilfe und "ja, auch bei der Lieferung von Waffen einschließlich schwerem Gerät". Details dazu nannte der Kanzler in seiner Rede allerdings nicht.
Der SPD-Politiker wies darauf hin, dass diese Unterstützung in Deutschland nicht unumstritten sei. "Manchen geht die Unterstützung nicht weit genug, anderen geht sie viel zu weit." Er wolle daher klarstellen: "Einem brutal angegriffenem Land bei der Verteidigung zu helfen, darin liegt keine Eskalation." Vielmehr sei dies ein Beitrag, den Angriff zu beenden.
Es werde aber keine deutschen Alleingänge geben, die Bundesregierung werde zudem nichts unternehmen, was die Nato zur Kriegspartei werden lasse, so Scholz.
"Keine Abkürzungen" für EU-Beitritt der Ukraine
Sonderregeln für einen beschleunigten EU-Beitritt der Ukraine will Kanzler Scholz aber nicht akzeptieren. "Dass es auf dem Weg in die EU keine Abkürzungen gibt, ist auch ein Gebot der Fairness gegenüber den sechs Ländern des westlichen Balkans", sagte Scholz in seiner Regierungserklärung.
Montenegro, Serbien, Nordmazedonien und Albanien sind seit vielen Jahren EU-Beitrittskandidaten, Nordmazedonien schon seit 2005. Scholz betonte, dass die EU jetzt liefern müsse, was den Beitrittsprozess dieser Länder angeht.
Für die Ukraine will die EU-Kommission im Juni eine Empfehlung über den Kandidatenstatus abgeben, der alle Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Scholz betonte, dass auch die Ukraine "Teil unserer europäischen Familie" sei. Er wies aber auch darauf hin, dass der EU-Beitrittsprozess "keine Sache von ein paar Monaten oder einigen Jahren" sei. "Deshalb wollen wir uns jetzt darauf konzentrieren, die Ukraine schnell und pragmatisch zu unterstützen." Er sprach sich für einen milliardenschweren Solidaritätsfonds der EU und ihrer Partner für den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg aus.
"Wir lassen niemanden allein"
Der Ukraine-Krieg habe auch in Deutschland drastische Folgen. Kanzler Scholz sicherte allen Bürgerinnen und Bürgern zu, dass die Bundesregierung ihnen angesichts der derzeitigen Preisanstiege zur Seite stehen werde. "Wir lassen niemanden allein", sagte Scholz in seiner Rede.
Gewährleistet werden müsse die Sicherheit und Unabhängigkeit der Energieversorgung, Energie müsse aber auch bezahlbar bleiben. National und europäisch dürfe der von Russland verschuldete Preisanstieg niemanden überfordern. Das gelte ganz besonders für die Bürgerinnen und Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen. Scholz verwies auf die Entlastungspakete der Koalition.
Bei der Energieversorgung gehe es auf europäischer Ebene darum, es keine Engpässe bei der Energieversorgung in einzelnen Mitgliedstaaten gebe. "Das ist ein Gebot europäischer Solidarität", so der Kanzler. Teil einer europäischen Lösung sei der Ausbau transeuropäischer Energienetze. "Mittel- und langfristig bleibt die einzig vernünftige Antwort auf die derzeitigen Probleme am Energiemarkt, dass wir uns unabhängig machen von fossiler Energie."
Hitzige Debatte über Ukraine-Politik
Oppositionsführer Merz warf in seiner Antwort auf die Regierungserklärung dem Kanzler ein doppeltes Spiel vor. Scholz erwecke den Eindruck, als ob Waffenlieferungen stattfänden. "Die Wahrheit ist doch, dass aus Deutschland in den letzten Wochen so gut wie nichts an Waffen geliefert worden ist", so der Unions-Fraktionschef. Auch den Ringtausch von Waffen mit anderen Partnern habe es nicht gegeben, und die Rüstungsindustrie klage über fehlende Ausfuhrgenehmigungen.
Zudem drängte Merz auf die Entlassung von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die "seit Wochen viel mehr mit Selbstverteidigung als mit der Verteidigung des Landes beschäftig" gewesen sei.
Die Linke mahnte stattdessen mehr Verhandlungen an. Fraktionschefin Mohamed Ali warnte vor einer Ausweitung des Krieges und warf Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vor, nicht genügend Anstrengungen für diplomatische Lösungen zu unternehmen. "Ich habe manchmal den Eindruck, Sie verwechseln, für welches Ressort Sie zuständig sind. Sie sind nicht die Verteidigungsministerin, Sie sind die Außenministerin, die Chefdiplomatin. Und da erwarte ich auch Diplomatie von Ihnen."
Mohamed Ali forderte auch mehr Unterstützung für diejenigen in Deutschland, die unter den Folgen des Krieges wie die hohe Inflation am meisten leiden. "Ihre Entlastungspäckchen (...) decken nicht mal im Ansatz die realen Mehrkosten ab. Und was auf uns zukommen wird durch ein Ölembargo ist doch um ein Vielfaches gravierender." Nötig seien konsequente Maßnahmen wie die Senkung der Verbrauchssteuern auf Grundnahrungsmittel, eine staatliche Preisaufsicht für Energie und ein Schutzschirm für betroffene Unternehmen besonders im Osten.
Und AfD-Fraktionschefin Weidel kritisierte, dass die Sanktionen gegen Moskau dem Westen mehr schadeten als Russland.
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