Die Gesellschaft wird immer älter und in der Folge steigt die Zahl der Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Im vergangenen Jahr lebten mehr als fünf Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland. Je mehr Menschen Pflege brauchen, desto höher sind die Pflegekosten.
Ausgaben betragen fast 60 Milliarden Euro
Schon in der Vergangenheit klafften Milliardenlöcher in der Pflegekasse. Mit einer im vergangenen Jahr beschlossenen Erhöhung der Versicherungsbeiträge gelang es, die Finanzlage vorerst in den Griff zu bekommen. Die Gesamtausgaben der sozialen Pflegeversicherung lagen 2023 bei fast 60 Milliarden Euro. Doch schon bald droht die Pflegeversicherung wieder in die roten Zahlen zu rutschen.
Es braucht eine langfristige und nachhaltige Lösung, fordern Experten und Gesundheitspolitiker. Ein ständiges Weiterdrehen an der Beitragsschraube zulasten der Versicherten und Arbeitgeber geht nicht, weiß Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Das würde die Menschen finanziell überfordern. Die Bundesregierung hatte eine ministeriumsübergreifende Arbeitsgruppe beauftragt, um zusammen mit Vertretern aus den Bundesländern Vorschläge zu erarbeiten, wie die Pflegeversicherung reformiert werden könnte. Der Kommissionsbericht wurde in der vergangenen Woche im Bundeskabinett beraten.
Neue Pflegeversicherung: Welche Vorschläge gibt es?
In dem Bericht sind vier Modelle für eine zukünftige Pflegeversicherung skizziert. Zwei Modelle orientieren sich am Status quo: Die Pflegeversicherung übernimmt einen Teil der Pflegekosten. Für den Rest müssen die Versicherten in Form von Eigenanteilen aufkommen. Beide Modelle setzen ergänzend darauf, dass die Versicherten privat vorsorgen. In einem Modell als freiwillige Vorsorge und im anderen als Pflichtversicherung.
In zwei anderen Modellen wird die Pflegeversicherung ausgebaut – von einer Teil- in eine Vollversicherung, die mehr Kosten übernimmt und Eigenanteile begrenzt oder fast nicht mehr nötig macht.
Finanziert werden könnte das weiterhin im Umlageverfahren. Das heißt, die Generation der aktiven Beitragszahlenden kommt mit ihren Beiträgen für die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen auf. Denkbar wäre auch, mit Steuermitteln einen Kapitalstock für jeden Versicherten aufzubauen und daraus einen Teil der Kosten zu bezahlen.
Gesetzliche und private Pflegeversicherung zusammenlegen?
Auch die Zusammenlegung von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung wird diskutiert. So ein Schritt würde die Finanzlage entspannen, weil dann alle und damit auch Gutverdiener und Beamte in eine gemeinsame Pflegekasse einzahlen würden.
Lauterbach kündigt Reform an, Koalition noch uneins
Gesundheitsminister Lauterbach kündigt an, nach der Sommerpause ein Konzept vorlegen zu wollen. Er werde "Vorschläge machen, wie die Pflegeversicherung solidarisch gut bezahlt werden kann". Die Probleme seien groß, aber lösbar. Darüber hinaus spricht der SPD-Politiker von einer großen Pflegereform, die die Ampel noch in dieser Legislaturperiode vorlegen will. Ob über diese Reform tatsächlich noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr final entschieden wird, ist unsicher.
Denn von einer Einigung, wie die Pflegeversicherung in Zukunft aussehen soll, ist die Ampel-Koalition noch weit entfernt. SPD und Grüne können sich vorstellen, mehr Steuermittel in die Pflegekasse zu stecken. Auch eine Zusammenlegung von gesetzlicher und privater Versicherung wird von beiden Parteien ins Spiel gebracht. Die FDP lehnt das ab und setzt stattdessen auf eine private Zusatzversicherung für jeden Einzelnen – wenn nötig auch als Pflichtversicherung.
Kosten durch medizinische Vorbeugung senken
Welchen Weg Lauterbach für sein Konzept wählt, ist bisher nicht bekannt. Er mahnt – auch an die Adresse der Koalitionäre: Ohne Reformen wird die Pflegeversicherung teuer werden. Der Gesundheitsminister erklärt aber auch, dass stark steigende Kosten nicht in Stein gemeißelt sind, sie könnten auch sinken – durch mehr medizinische Vorbeugung, um Pflegebedürftigkeit im Alter zu vermeiden.
Kritik an Pflegepolitik
Die Kritik an der Pflegepolitik der aktuellen Regierung sowie an den Versäumnissen früherer Bundesregierungen ist groß. Die Pflegebranche, Arbeitgeberverbände und Sozialverbände drängen auf Sofortmaßnahmen. Die Versorgung von Millionen pflegebedürftiger Menschen sei bereits jetzt massiv gefährdet, warnt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände. Lauterbach und der Ampel-Koalition werden vorgeworfen, einer Pflege-Finanzreform zu wenig Priorität einzuräumen und eine Entscheidung von Jahr zu Jahr zu schieben.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!