"Warum nicht er?", fragt sich ein großes Magazin diese Woche auf der Titelseite. Im Bild: ein lächelnder Boris Pistorius. Foto und Schlagzeile sind vor der SPD-Entscheidung in der K-Frage entstanden. Mittlerweile ist klar: Der beliebte Verteidigungsminister macht den Weg frei – für eine neuerliche Kanzlerkandidatur des nicht ganz so beliebten Amtsinhabers.
Pistorius verzichtet auf Kanzlerkandidatur
Am Donnerstagabend macht in Berlin eine Videobotschaft die Runde. Noch rechtzeitig vor der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau. Die SPD verbreitet den Film unter der schlichten Überschrift "Eine Nachricht von Boris Pistorius". Doch allen in der Hauptstadt ist klar: Damit ist die K-Frage entschieden.
"Liebe Genossinnen, liebe Genossen", sagt Pistorius. Eine gewisse Anspannung ist ihm anzumerken. Soeben habe er den Spitzen von Partei und Bundestagsfraktion "mitgeteilt", dass er für die Kanzlerkandidatur nicht zur Verfügung stehe, so der Minister. "Das ist meine souveräne, meine persönliche und ganz eigene Entscheidung."
Im Video: Boris Pistorius äußert sich zur Personaldebatte
Pistorius will nicht als Getriebener dastehen
Damit beendet er eine tagelange Personaldebatte, die der SPD-Spitze offenbar entglitten war. Zeitweise war eine Entscheidung erst in der nächsten Woche im Gespräch, wenn zunächst der Parteivorstand zusammenkommt und ein paar Tage später eine "Wahlsiegkonferenz" der Sozialdemokraten stattfindet.
Doch der öffentliche Druck war so groß, dass die SPD die Sache nicht weiterlaufen lassen konnte. Was auffällt: Pistorius betont, dass er nicht zum Verzicht gedrängt worden sei. Er will erkennbar nicht als Getriebener dastehen.
Pistorius lobt Scholz‘ Umgang mit Ukraine-Krieg
Den entscheidenden Satz sagt Pistorius später: "Olaf Scholz ist ein starker Kanzler und er ist der richtige Kanzlerkandidat." Scholz habe Deutschland "durch die vielleicht größte Krise der letzten Jahrzehnte" geführt, so Pistorius mit Blick auf den russischen Angriffskrieg. Und der Minister tut seinem Kanzler noch den Gefallen, ihn für einen sicherheitspolitischen Kurs der "Besonnenheit" zu loben. Ein Begriff, mit dem Scholz selbst seine Politik oft beschreibt.
Auch an diesem Freitag, dem Tag nach der Entscheidung. Der Kanzler ist zu Besuch bei sozialdemokratischen Kommunalpolitikern, die sich gerade in Berlin treffen. "Ich freue mich, dass ich hier sein kann", ruft der Kanzler seinen Parteifreunden zu. Schließlich sei er selbst einmal "Kommunalo" gewesen. Damals, als Erster Bürgermeister von Hamburg.
Scholz zählt Erfolge seiner Regierung auf
Dann schaltet Scholz in den Wahlkampfmodus, zählt auf, welche Erfolge er als Ampel-Kanzler erzielt haben will. Zunächst nennt er einen Kurs der – genau – "Besonnenheit" im Umgang mit dem russischen Überfall auf die Ukraine. Waffenlieferungen ja, aber keine Taurus-Marschflugkörper. Die Zustimmungswerte für Scholz mögen im Keller sein: In dieser Sachfrage weiß der Kanzler die Mehrheit der Deutschen auf seiner Seite.
Auch dies sieht Scholz als Pluspunkt: Der Ökostrom-Ausbau habe "endlich Tempo aufgenommen" und der Bürokratie-Abbau komme voran. Dass die Ampel-Regierung ihre wohnungspolitischen Versprechen nicht halten konnte, lag aus seiner Sicht an widrigen Umständen. Hohe Zinsen, hohe Baukosten. Aber eine Trendwende sei erreichbar – vorausgesetzt, die SPD entscheidet die anstehende Neuwahl für sich.
Schwierige Ausgangslage für Scholz und SPD
Ein Ziel, das angesichts der Umfragewerte mindestens ambitioniert erscheint. Der aktuelle ARD-Deutschlandtrend sieht die SPD nur noch bei 14 Prozent, gleichauf mit den Grünen und abgeschlagen hinter Union und AfD. Hinzu kommt, dass lediglich ein Fünftel der Befragten Scholz für einen guten Kanzlerkandidaten hält. Von Pistorius sagen das 60 Prozent der Menschen.
Auf all das geht der Kanzler bei seinem Auftritt vor den Kommunalpolitikern nicht ein. Weder thematisiert er die Ausgangslage zum Wahlkampfauftakt noch würdigt er Pistorius für dessen Verzicht. Scholz wird auch nicht danach gefragt, obwohl es die Möglichkeit dazu gegeben hätte.
Die SPD scheint fest entschlossen, nach vorne zu schauen. Bis zur Neuwahl sind es nur drei Monate. Nicht viel Zeit, um einen solchen Rückstand aufzuholen.
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