Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler am 29.05.2024
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Gute Bremse, böse Bremse: Wie es mit der Schuldenbremse weitergeht

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Wie es nach dem Ampel-Aus mit der Schuldenbremse weitergeht

Wie es nach dem Ampel-Aus mit der Schuldenbremse weitergeht

Unions-Fraktionschef Merz hat eine Reform der Schuldenbremse angedeutet. Die SPD fühlt sich bestärkt und drückt aufs Tempo. Dass sie dabei Erfolg haben wird, ist aber alles andere als sicher.

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Seit 15 Jahren steht die Schuldenbremse im Grundgesetz. Die Idee: Bund und Länder sollen nicht viel mehr Geld ausgeben als sie besitzen. Die Vorschrift besagt, dass die Neuverschuldung des Bundes in der Regel bei höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen darf.

Das hört sich vor allem bürokratisch an. Seit die Ampel sich aber in Haushaltskämpfen zerstritt, ist aus dem Verfassungsinstrument ein Identitätsthema geworden. Die FDP gab sich in der Ampel-Endphase als letzte Kämpferin für die Bremse – gegen SPD und Grüne, die sich für Abschaffung, Aussetzung oder eine Reform einsetzten. Die FDP sieht die Schuldenbremsen-Forderung des Kanzlers sogar als Grund für den Koalitionsbruch.

Merz' vermeintlich neuer Schuldenbremsweg

Nach dem Ende der Ampel zieht es nun auch die Union mit in den Bremskonflikt. Die hatte sich ebenfalls als Schuldenbremsen-Wahrerin in Position gebracht: Aufweichung ausgeschlossen, sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz noch Ende Januar. Vergangene Woche dagegen sagt Merz plötzlich: "Selbstverständlich kann man das reformieren", die Frage sei, mit welchem Zweck.

Das löst im Wahlkampf eine Riesenwelle aus. Die SPD sieht sich bestätigt und schlägt Merz eine schnelle Reform vor, noch vor den Neuwahlen am 23. Februar. Denn danach dräut die Gefahr, dass neue Mehrheiten im Bundestag eine Reform verhindern könnten. Um die Schuldenregeln zu ändern, muss das Grundgesetz mit Zweidrittelmehrheit geändert werden.

CDU-Ministerpräsidenten sind fürs Reformieren

Sollte die Union, wie es Umfragen derzeit nahelegen, nach der Wahl eine Regierung anführen, wäre sie ebenfalls in Geldnöten. Woher soll das Geld zur Unterstützung der Ukraine kommen, wie kann das Zwei-Prozent-Ziel für Rüstung dauerhaft erreicht werden? Und wie soll die bröckelnde Infrastruktur fit gemacht werden?

Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung beziffert die öffentlichen Mehr- und Nachholbedarfe für Investitionen auf mehr als 100 Milliarden Euro im Jahr. Etliche CDU-Ministerpräsidenten sprechen sich seit Langem für eine Reform der Schuldenbremse aus. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) denkt darüber nach, will aber zunächst den Länderfinanzausgleich neu regeln.

Will Merz die Bremse wirklich ändern?

Nach Merz' Äußerung versucht CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, die Debatte eilig zurückzuholen: "Die CDU steht zur Schuldenbremse, ohne Wenn und Aber", erklärt er. Merz habe nichts anderes gesagt. Linnemann sagt später, es werde mit der CDU keine Änderung der Schuldenbremse im Bund geben. Dieser Teil der Schuldenbremse sei flexibel. Er erlaubt auch neue Schulden zu machen, wovon die Bundesregierung auch Gebrauch macht. Reformbedarf gebe es höchstens bei der Bremse der Länder. Weil die Schuldenregel für sie zu starr sei und keine Schulden erlaubt.

Union hat die Zeit nach der Wahl im Blick

Nach der Bundestagswahl werde erst einmal geschaut, wo gespart werden kann, sagt Linnemann. Die Union hat zur Infrastrukturfinanzierung schon länger private Investoren im Blick und "Nutzungsentgelte", die Wirtschaftsweisen empfehlen einen neuerlichen Anlauf zur PKW-Maut.

Und so deutet sich an, dass eine Schuldenbremsen-Reform vor der Wahl im Februar kaum kommen dürfte. Das wäre ein Projekt für eine neue Regierung, nachdem andere Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Vorausgesetzt, sie findet dann noch eine Mehrheit im neuen Bundestag.

Hoher Preis fürs Aussetzen der Schuldenbremse

Auch Ökonomen raten zu einer Anpassung der Schuldenbremse mit einem Ziel: mehr Investitionen. Das Beharren auf der Schuldenbremse wird gern als vermeintlicher Spleen von Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) belächelt. Eine Auflistung aus dem Bundesfinanzministerium (BMF), über die zuerst der "Spiegel" berichtete, zeigt allerdings die gravierenden Folgen der Aussetzung in den vergangenen Krisen.

Durch Notlagenkredite und Stützungsmaßnahmen, kam eine zusätzliche Schuldenlast von 434,9 Milliarden Euro zustande. Ab 2028 müssen laut BMF jährlich mehr als neun Milliarden Euro getilgt werden, kurz darauf erhöht sich die Rate auf 14 Milliarden Euro. Die Tilgung dauert insgesamt 31 Jahre.

Im Video: Possoch klärt – Muss die Schuldenbremse weg?

Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft
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Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft

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