Der Mann, der die Debatte sofort beenden könnte, scheut das klare Wort. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gibt seit Wochen auf die Frage, ob er ausschließen könne, Kanzlerkandidat der SPD zu werden, ausweichende Antworten. Zuletzt in Bayern, wo er wieder dazu Stellung nehmen soll und nur sagt, dass man nie etwas ausschließen solle in der Politik. Das Einzige, was Pistorius ausschließt: dass er Papst wird.
Das Problem der SPD: Ein äußerst unbeliebter Kanzler
Die Frage nach dem Kanzlerkandidaten treibt die SPD um. Was zuallererst an den schlechten Umfragewerten des amtierenden Kanzlers liegt. Olaf Scholz (SPD) sprechen in aktuellen Umfragen gerade mal 13 Prozent der Menschen das Vertrauen aus, das sind noch weniger, als die SPD wählen würden, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. Noch dramatischer für die SPD ist allerdings, dass selbst unter SPD-Anhängern nur 45 Prozent der Meinung sind, dass Olaf Scholz ein geeigneter Kanzlerkandidat ist, mit dem man die Wahl gewinnen kann [Quelle: D-Trend extra].
Stellt man dem die Beliebtheitswerte von Boris Pistorius gegenüber, der seit Monaten die Liste der beliebtesten Bundespolitiker anführt, erkennt man das Dilemma, in dem sich die Partei befindet. Sie hat einen Kanzler. Und sie hat dennoch keinen gesetzten Kanzlerkandidaten. Und das weniger als 100 Tage vor der geplanten Bundestagswahl.
Scholz setzt auf den Effekt von 2021
Wobei Scholz ebenfalls seit Monaten betont, dass er sich als der natürliche Kandidat sieht. Bereits im Juli hatte er erklärt: "Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden." Auch am Dienstagabend, noch in Rio de Janeiro beim G20-Gipfel, betonte er: "Wir gehen in diese Wahl hinein, um erfolgreich aus ihr heraus zu gehen".
Sein Selbstbewusstsein zieht Scholz aus der Tatsache, dass auch vor der Bundestagswahl 2021 nur sehr wenige Menschen auf einen Wahlsieg von Scholz und der SPD gesetzt haben. Nur: Damals haben sowohl der Unionskandidat Armin Laschet als auch die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock grobe Fehler gemacht, und Scholz galt als Garant für ein Weiter-So der ruhig-beschaulichen Merkel-Jahre.
Dieser Effekt ist verpufft, auch wenn der Bundeskanzler und seine Ampel-Regierung unter anderem mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine, der globalen Wirtschaftslage und den knappen Kassen große Herausforderungen zu bewältigen hatten. In der Spitze der Partei schätzen sie Scholz für seine Ruhe und Erfahrung, Attribute, die die Partei im Wahlkampf gegen Friedrich Merz (CDU) nutzen will. Die SPD-Führung steht hinter Scholz und muss dennoch ständig betonen, dass nur Geschlossenheit Erfolg verspricht. Eine Geschlossenheit, die durch die Dynamik der Debatte um den richtigen Kandidaten zu zerbröseln droht.
Große Unruhe an der SPD-Basis
Jetzt herrscht vor allem an der SPD-Basis große Unruhe. Dort, wo der Wahlkampf geführt wird, sind die Stimmen besonders laut, die einen aussichtsreicheren Kandidaten fordern. So sagt der Bamberger SPD-Kreisvorsitzende Olaf Seifert im Interview mit BR24: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass es Scholz an Führungsstärke fehlt. Dass er auch die Koalition nicht zusammenhalten konnte". Wenig Scholzeuphorie auch beim bayerischen Juso-Vorsitzenden Benedict Lang: "Es ist nicht gesetzt, dass der Kanzlerkandidat automatisch auch der Kanzler ist, wir machen Vertrauen davon abhängig, für welche Inhalte er steht."
Problem: Auch der Alternativkandidat Boris Pistorius hat nicht nur Anhänger in der SPD. Sein Kurs in der Ukraine-Politik, die Forderung nach mehr Geld und "Kriegstüchtigkeit" der Bundeswehr kommen im linken Flügel der Partei und in den ostdeutschen Bundesländern nicht so gut an. Außerdem befürchtet man in der SPD einen "Schulz-Effekt": Der Kanzlerkandidat der SPD im Jahr 2017, Martin Schulz, war lange sehr beliebt und entfachte eine große Euphorie bei seiner Nominierung, weil er als volksnah und hemdsärmelig galt. Bei der Wahl aber kam die SPD auf niederschmetternde 20,5 Prozent. Zur Ironie der Geschichte gehört, dass dieses Ergebnis heute als Erfolg gewertet würde.
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