SPD-Chef Lars Klingbeil hat seine Partei vor einer Debatte über die Auswechslung des designierten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz gewarnt. "Olaf Scholz ist der Kanzler. Und alle, die in der SPD Verantwortung tragen, haben in den letzten Tagen auch deutlich gemacht, dass wir hinter ihm stehen", sagte Klingbeil am Rande einer SPD-Veranstaltung in Essen. Für die SPD sei es nun wichtig, "dass wir uns inhaltlich auseinandersetzen mit dem Bundestagswahlkampf, aber nicht über Personal diskutieren".
Eine Reihe von Basis-Gruppierungen hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidat die SPD in den Wahlkampf führen soll. Klingbeil forderte, der Fokus der Partei müsse ein anderer sein: "Es gibt eine Polarisierung zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz. Das sind fundamentale Gegensätze." Es gehe um die Frage, ob man Politik für Besserverdienende mache, oder für Pflegekräfte, Erzieher und Bauarbeiter. "In diese Auseinandersetzung werden wir jetzt reingehen", betonte der SPD-Chef.
SPD-Abgeordneter: Scholz bei den Menschen "unten durch"
Allerdings haben sich einem Medienbericht zufolge auch erste SPD-Bundestagsabgeordnete dafür ausgesprochen, Pistorius zum Kanzlerkandidaten zu machen. Die Äußerungen seien vor wenigen Tagen bei einem Treffen des Seeheimer Kreises gefallen, in dem sich die konservativeren SPD-Bundestagsabgeordneten zusammengeschlossen haben, berichtet der "Spiegel" (externer Link; möglicherweise Bezahl-Inhalt) unter Berufung auf Teilnehmerkreise.
Besonders kritisch äußerte sich nach Angaben von Teilnehmern der Abgeordnete Joe Weingarten aus Rheinland-Pfalz. Scholz sei bei den Menschen im Land "unten durch", wurde er aus der Sitzung zitiert. Dies gelte bis tief in die SPD-Ortsvereine hinein und werde sich auch nicht mehr ändern. Der Wechsel zu Pistorius müsse kommen, sonst werde die Partei bei der Bundestagswahl im Februar ein "Desaster" erleben. Der Abgeordnete Christian Schreider aus Ludwigshafen wird laut "Spiegel" mit den Worten zitiert, er könne die Parteimitglieder nicht mehr dazu bringen, für Scholz Wahlkampf zu machen. Dazu ließen sie sich nicht mehr motivieren.
Weingarten wollte den Bericht auf dpa-Anfrage nicht kommentieren. Er betonte aber, "dass ich die inständige Hoffnung habe, dass die SPD-Spitze und alle Verantwortlichen eine gemeinsame und schnelle Antwort finden, um uns aus der schweren Krise und dem Umfragetief herauszuführen, in dem wir uns befinden".
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Mehrere Rufe nach Pistorius in der SPD
Angesichts von nur noch 15 bis 16 Prozent für die Kanzlerpartei in den Umfragen waren in den vergangenen Tagen bereits auf Kommunal- und Landesebene Rufe nach einem Wechsel des Kanzlerkandidaten lauter geworden. Scholz müsse klargemacht werden, dass es für die Partei besser wäre, wenn er sich zurückziehen würde, sagte etwa der Bamberger SPD-Parteivorsitzende, Olaf Seifert. Auch Münchens SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter hatte bereits vor Wochen gefordert, dass seine Partei mit Pistorius antreten solle.
Für die Parteispitze gilt Scholz bisher als gesetzt - das haben die SPD-Chefs Klingbeil und Saskia Esken, aber auch Generalsekretär Matthias Miersch in den letzten Tagen immer wieder beteuert. Pistorius wies seinerseits eigene Ambitionen auf das Kanzleramt zurück. Der Verteidigungsminister ist seit Monaten der beliebteste deutsche Politiker, Scholz dagegen liegt bei der Popularität weit hinten.
Kanzler zweifelt an Zuverlässigkeit der Umfragen
Scholz selbst antwortete in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" nur ausweichend auf die Frage, ob er sich unter bestimmten Umständen vorstellen könnte, die Kandidatur zu überdenken. "Na ja, die Umstände der nächsten Wahl sind doch ziemlich klar", sagte er. Auf die Nachfrage, wie es bei einer Verschlechterung der Umfragewerte wäre, fügte er hinzu: "Die Zuverlässigkeit solcher Umfragen ist überschaubar, wie die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, auch wenn das manche schnell vergessen haben."
Zum Hören: Bayerische SPD uneins in Kanzlerfrage
Mit Informationen von dpa und AFP
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