"Wir haben eine dynamische Lage", sagt Oberstaatsanwalt Andreas Franck. Er ist Antisemitismusbeauftragter der bayerischen Justiz. Was Franck meint: Was noch vor wenigen Wochen kaum aufgefallen wäre, wird jetzt - nach dem Terror vom 7. Oktober in Israel - als Billigung dieser Verbrechen gewertet.
Bayerns Justiz schaut jetzt genauer hin
Beispiel: Der hinlänglich bekannte Slogan "from the river to the sea, Palestine will be free". Gemeint ist: Ein Palästina, vom Jordan bis zum Mittelmeer - und damit anstelle des heutigen Israel. Wer bei einer Demonstration diese Äußerung macht oder unterstützt, so der Staatsanwalt, der rufe damit in der gegenwärtigen Lage zu einer Vernichtung Israels auf, unterstütze Gewalt. Und das ist strafbar.
In Augsburg beispielsweise hat die Stadt inzwischen schon die dritte Allgemeinverfügung erlassen, um mit der "Emotionalisierung und aufgeheizten Stimmung" umzugehen: In der Verfügung heißt es, das "Billigen von Straftaten wie den Terrorangriffen auf Israel" könne "mit bis zu drei Jahren Haft geahndet" werden. Und: "Schon durch augenscheinlich harmlose Handlungen wie das Verteilen von Süßwaren durch pro-palästinensische Anhänger wird eine Verherrlichung der Gräueltaten im Nahen Osten hervorgerufen und stellt eine Provokation dar."
Israels Flagge ist geschützt, die palästinensische auch
Außerdem führt das Augsburger Ordnungsreferat als Versammlungsbehörde eine ganze Liste von Fahnen und Symbolen auf, die verboten sind, von Hamas (grün) bis Hisbollah (gelb). Zudem wird das "Zerstören, Verbrennen, Beschädigen, Zerreißen, Zertrampeln, Beschmieren, Unkenntlich machen oder Verunglimpfen von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten sowie der Flagge Palästinas untersagt". Die schwarz-weiß-grüne Fahne mit dem roten Winkel zählt also zu den zulässigen Symbolen und wird genauso geschützt wie die Fahne Israels.
Die israelische Fahne am Augsburger Rathausplatz war in der vergangenen Woche zweimal von einem Fahnenmast gerissen worden. Die Augsburger Polizei ermittelt. Am vergangenen Samstag dann hatten die Beamten eine Pro-Palästina-Versammlung auf dem Platz aufgelöst. Polizeisprecherin Marion Liebhardt erklärt auf BR24-Anfrage, dass rund 75 Teilnehmer eine Anzeige bekommen haben, weil sie ihre Demonstration nicht aufgelöst hatten. Ausschlaggebend seien aber nicht etwa verbotene Fahnen, Symbole oder israelfeindliche Slogans gewesen. Die Kundgebung sei schlicht nicht angemeldet gewesen, so Liebhardt.
Antisemitismusbeauftragter hält Versammlungsfreiheit hoch
Der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz, Andreas Franck, versichert im Gespräch mit dem BR, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut. Wer auf das Leid der Palästinenser im Gaza-Streifen und dem Westjordanland bei einer Demonstration aufmerksam machen wolle, so Andreas Franck, könne das selbstverständlich tun: "Die bloße geäußerte Solidarität mit den Menschen in Palästina ist strafrechtlich nicht zu beanstanden." Jeder Teilnehmer einer solchen Demonstration müsse aber "den gesunden Menschenverstand" bemühen, und schauen, welche Aussagen auf einer solchen Kundgebung gemacht würden. Wenn der Terror-Überfall mit 1.400 Toten in Israel als "Widerstand" bezeichnet werde, will die Generalstaatsanwaltschaft München das als "Billigung" dieses Terrors werten.
Von "Verunsicherung" spricht der Oberstaatsanwalt. Manche Versammlungsleiter, sagt Franck, würden schon vor Beginn einer Demonstration mit ihren Transparenten zur Polizei gehen, um sie auf ihre Zulässigkeit prüfen zu lassen.
Zum Video: Debatte um Pro-Palästina-Demos
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