Proteste in Derna
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Proteste in Derna

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Proteste nach Flutkatastrophe in libyscher Küstenstadt Derna

Während Retter in der von Wassermassen zerstörten Hafenstadt Derna in Libyen wegen der prekären Trinkwasserversorgung Alarm schlagen, entlädt sich unter den Überlebenden Wut auf die politischen Eliten. Demonstranten fordern Entschädigungen.

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Gut eine Woche nach der Flutkatastrophe in Libyen mit tausenden Toten haben Demonstranten in der besonders hart getroffenen Küstenstadt Derna schwere Versäumnisse der Behörden angeprangert. Hunderte Menschen versammelten sich am Montag vor der großen Moschee der 100.000-Einwohner-Stadt im Osten des Landes und skandierten Slogans gegen das dortige Parlament und dessen Vorsitzenden Aguilah Saleh. Laut Augenzeugen sollen Demonstranten versucht haben, das Haus des zur Zeit suspendierten Bürgermeisters Abdel-Moneim al-Gheithy in Brand zu setzen.

Ruf nach Untersuchung und Entschädigung

In einer im Namen der Demonstranten verlesenen Erklärung wurden "eine rasche Untersuchung und rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen für die Katastrophe" gefordert. Die Protestierenden forderten die Einrichtung eines UN-Büros in Derna, den unverzüglichen Wiederaufbau der zerstörten Stadt und eine Entschädigung für die von der Katastrophe betroffenen Einwohner.

"Diejenigen, die in der Stadt überlebt haben, in dem, was von der Stadt übrig geblieben ist, gegen diejenigen, die Tod und Zerstörung in die Stadt gebracht haben", kommentierte der Experte Anas el-Gomati den Protest im Onlinedienst X, vormals Twitter.

Offiziell wurden in Derna 3.338 Tote registriert

Das Sturmtief "Daniel" hatte am Sonntag vergangener Woche heftige Überschwemmungen im Osten Libyens angerichtet. Derna wurde besonders schwer getroffen, da dort zwei Flussdämme brachen. Die Wucht, mit der die Wassermassen durch ein ausgetrocknetes Flussbett schossen, war mit der eines Tsunamis vergleichbar.

Bei den Überflutungen wurden zahlreiche Menschen ins Mittelmeer gerissen. Ein Teil der Stadt wurde unter Schlammmassen begraben. Weiterhin werden täglich zahlreiche Leichen aus dem Wasser oder unter Trümmern und Schlammmassen herausgezogen. Nach den jüngsten Zahlen des Gesundheitsministeriums im Osten Libyens kamen in Derna mindestens 3.338 Menschen ums Leben, tausende weitere werden vermisst. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die UN-Organisation für Migration (IOM) gehen von etwa 4.000 Toten aus.

"Verheerende Krise" durch Trinkwassermangel befürchtet

Der UN-Unterstützungsmission für Libyen (UNSMIL) zufolge wurden rund 30.000 Einwohner durch die Katastrophe obdachlos. Zudem bereiten vor allem verunreinigtes Wasser und der Mangel an Sanitäreinrichtungen massive Probleme. Teams der Vereinten Nationen arbeiteten daran, eine "zweite verheerende Krise" infolge dieser Situation und die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern.

Durch die schweren Überschwemmungen sind die Wasserquellen in der Katastrophenregion stark durch Schmutz, Abwässer und auch verwesende Leichen verunreinigt. Tausende Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser mehr. Die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) warnte vor einer sich "rasch ausweitenden Gesundheitskrise", vor allem in Derna. Dutzende Kinder seien bereits wegen verschmutzten Wassers erkrankt, hieß es.

UN: Rund zehn Prozent der Todesopfer Migranten

Von der Katastrophe sind auch viele Migranten betroffen. Die UN-Organisation für Migration (IOM) geht davon aus, dass die Zahl der Todesopfer in dieser Gruppe besonders hoch ist, da die Migranten in sehr niedrig gelegenen Gebieten angesiedelt gewesen seien, wie die Organisation dem britischen Sender BBC mitteilte.

Die IOM vermutet deshalb, dass von den Todesopfern der Flutkatastrophe in Derna rund zehn Prozent Migranten sind, das würde den Zahlen der Organisation zufolge etwa 400 Opfer bedeuten. Die bisher tot aufgefundenen Migranten stammten den Angaben nach aus Ägypten, dem Sudan und aus Bangladesch. In Libyen halten sich Hunderttausende Migranten auf. Einige leben und arbeiten langfristig in dem nordafrikanischen Land, während es andere als Transitland nutzen, um nach Europa zu gelangen.

Im Land herrschen Chaos und Gewalt

In Libyen herrschen seit dem Sturz und gewaltsamen Tod von Machthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 Chaos und Gewalt, bewaffnete Milizen und ausländische Söldner bekämpfen sich. Nach Einschätzung von Experten spielte seitdem die Instandhaltung der lebenswichtigen Infrastruktur eine eher untergeordnete Rolle.

Die von der UNO anerkannte Übergangsregierung in der Hauptstadt Tripolis im Westen ringt mit einer Gegenregierung im Osten um die Macht im Land. Die Gegenregierung wird vom dort ansässigen Parlament und dem mächtigen General Chalifa Haftar unterstützt. Geplante Wahlen wurden wiederholt verschoben.

Die EU sagte Libyen weitere 5,2 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zu. Auch die USA stellen weitere elf Millionen Dollar (zehn Mio Euro) bereit.

Mit Informationen von AFP und dpa

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