Nach fast zwei Jahren Funkstille hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Das Gespräch dauerte laut Agenturmeldungen über eine Stunde.
Der Kanzler fordert den Rückzug der russischen Truppen
Zuletzt hatten Scholz und Putin am 2. Dezember 2022 telefoniert. Der Westen hatte wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine, der im Februar 2022 begann, die Gesprächskanäle nach Moskau dann weitgehend stillgelegt.
Scholz forderte Putin in dem Telefonat laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit "zu Verhandlungen mit der Ukraine" auf. Diese müssten das Ziel "eines gerechten und dauerhaften Friedens" haben. Der Kanzler habe erneut den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt und Putin aufgefordert, "diesen zu beenden und Truppen zurückzuziehen". Der Bundeskanzler habe bekräftigt, dass Deutschland entschlossen sei, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf so lange wie nötig zu unterstützen, so der Regierungssprecher.
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Scholz warnt vor Eskalation des Konflikts
Aus Regierungskreisen verlautete zudem, dass der Bundeskanzler deutlich gemacht habe, dass mit der Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland für Kampfeinsätze gegen die Ukraine eine gravierende Eskalation und Ausweitung des Konflikts verbunden sei.
Er habe klargemacht, dass bisher keines der russischen Kriegsziele erreicht wurde und dass Putin angesichts der andauernden Unterstützung Deutschlands und des Westens insgesamt nicht darauf hoffen könne, in dem Konflikt die Zeit auf seiner Seite zu haben.
Scholz und der russische Präsident vereinbarten den Angaben zufolge, weiterhin in Kontakt zu bleiben.
Moskau: Abkommen muss "territorialen Realitäten" entsprechen
Ob die Worte des Kanzlers in Moskau auf offene Ohren stoßen, ist ungewiss. Der Kreml jedenfalls teilte zum Telefonat zwischen Scholz und Putin bereits mit, der russische Präsident habe erklärt, dass ein Abkommen mit der Ukraine die "neuen territorialen Realitäten" widerspiegeln müsse. "Mögliche Vereinbarungen sollten die Sicherheitsinteressen der Russischen Föderation berücksichtigen, von den neuen territorialen Realitäten ausgehen und vor allem die eigentlichen Ursachen des Konflikts angehen", erklärte der Kreml.
Kanzler hofft auf Friedens-Dialog mit Moskau
Der Bundeskanzler bemüht sich aktuell um eine zweite Ukraine-Friedenskonferenz nach einem Gipfel in der Schweiz im vergangenen Sommer, an dem dann auch Russland teilnehmen könnte. Bisher ist dafür aber kein Termin in Sicht.
Scholz hatte in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt, dass er zu einem Gespräch mit Putin bereit sei. Er wolle nur den richtigen Zeitpunkt finden. In der ARD erklärte der Kanzler am Sonntag, dass dieser Zeitpunkt "demnächst" gekommen sein könnte. "Ja, ich habe mir vorgenommen, mit dem russischen Präsidenten zur richtigen Zeit zu sprechen. Aber ich bin ein verantwortlicher Politiker, ich mache das nicht im Alleingang." Ein Gespräch mit Putin setze viele Kontakte und Gespräche mit sehr vielen anderen voraus.
G20-Gipfel dürfte Anlass des Gesprächs sein
Der Zeitpunkt des Gesprächs dürfte mit dem bevorstehenden G20-Gipfel im brasilianischen Rio de Janeiro zusammenhängen, zu dem Scholz am Sonntag aufbricht. Dort wird auch der russischen Außenminister Sergej Lawrow erwartet.
Putin selbst hatte am 18. Oktober seine Teilnahme am Gipfel abgesagt, um nicht "die normale Arbeit des Forums zu stören", das andere Themen habe. Gegen Putin liegt ein internationaler Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag vor, wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. Er würde in Brasilien eine Festnahme riskieren.
Scholz telefonierte zuvor auch mit Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nicht zum G20-Gipfel eingeladen. Scholz telefonierte am Mittwochabend mit ihm, um über die militärische und humanitäre Lage in der Ukraine zu sprechen. Es ist möglich, dass der Kanzler Selenskyj in dem Gespräch auf das Telefonat mit Putin vorbereitet hat. Nach dem Gespräch des Kanzlers mit Putin, so wurde in Berlin betont, werde Olaf Scholz nun erneut mit Selenskyj sprechen.
Moskau dementierte Gespräch zwischen Putin und Trump
Am Montag hatte Kremlsprecher Peskow einen Bericht der "Washington Post" zurückgewiesen, nach dem Putin und Trump nach der US-Wahl telefoniert haben sollen. "Es gab kein Gespräch", sagte Peskow: "Es ist reine Fiktion, es sind einfach falsche Informationen." Russland sei weiter offen für Gespräche. Putin wollte aber nicht als Erster anrufen, weil nicht Russland, sondern der Westen den Kontakt abgebrochen habe.
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Mit Informationen von DPA und AFP
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