Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, hält im Deutschen Bundestag eine Rede.
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Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, hält im Deutschen Bundestag eine Rede.

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Selenskyj im Bundestag: "Danke Deutschland!"

Zum ersten Mal steht der ukrainische Präsident am Rednerpult des Bundestags. Er geht auf die Hilfe für sein Land ein und beschwört die Einheit der freien Welt. Der Saal ist fast voll besetzt. Aber eben nur fast.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Es ist kurz nach halb drei am Dienstagnachmittag, als unter der Bundestagskuppel der Gong ertönt. Das Zeichen zum Sitzungsbeginn. Normalweise hindert das die Abgeordneten nicht daran, noch das eine oder andere Schwätzchen zu Ende zu führen. Diesmal aber wird es prompt still. Wolodymyr Selenskyj betritt den Saal, im schwarzen Pulli und mit festem Schuhwerk. Begleitet wird der ukrainische Präsident von den Spitzen des deutschen Staats: unter anderen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) heißt Selenskyj unter dem Beifall der Abgeordneten willkommen. Dann geht der Gast zum Rednerpult, vor dem an diesem besonderen Tag Blumengestecke liegen, in den ukrainischen Farben blau und gelb. Selenskyj würdigt gleich zu Beginn seines Auftritts die umfangreiche Hilfe der Bundesrepublik für sein Land. "Ich danke Dir Deutschland", ruft er in den Saal – und meint damit augenscheinlich nicht nur die Abgeordneten. Es gab auch Zeiten, in denen Selenskyj vor allem durch immer neue Forderungen an die Verbündeten von sich reden machte.

Selenskyj: Patriot-Systeme haben Tausende Menschenleben gerettet

Vor allem die Systeme zur Luftverteidigung aus Deutschland leisten aus Selenskyjs Sicht einen Beitrag, Städte in der Ukraine vor russischen Angriffen zu schützen. Ausdrücklich nennt er die gelieferten Patriot-Batterien, die Tausende Menschenleben gerettet hätten. Die Bundesregierung hat dem angegriffenen Land bisher zwei dieser Systeme zur Verfügung gestellt und ein drittes versprochen.

Dann geht der ukrainische Präsident auf die Geschichte der Gastgeber ein. Ein rhetorischer Kniff, den er bei seinen Auslandsbesuchen gerne einsetzt. "Das geteilte Europa war niemals friedlich", sagt er mit Blick auf Kalten Krieg und Eisernen Vorhang. "Und das geteilte Deutschland war niemals glücklich." Doch es gebe "keine Mauern, die nicht fallen".

Ukrainischer Präsident: Putin muss verlieren

Den Krieg will Selenskyj beenden – allerdings zu den Bedingungen der Ukraine und nicht nach den imperialistischen Vorstellungen des Putin-Regimes. Der russische Machthaber habe ukrainische Städte verwüstet, seine Armee hinterlasse Dutzende neuer Friedhöfe. "Es ist unser gemeinsames Interesse, dass Putin verliert."

Selenskyj macht aber auch deutlich, dass er der Diplomatie ebenfalls eine Chance geben will: "Die Ukraine hat niemals nur auf die Stärke der Waffen gesetzt." Am kommenden Wochenende findet in der Schweiz eine Friedenskonferenz statt, die auf Bitten von Kiew hin organisiert wurde. Die Gastgeber der Konferenz haben zahlreiche Zusagen gemeldet. Moskau hatte allerdings erkennen lassen, dass es nicht an einer Teilnahme interessiert sei und wurde daher nicht eingeladen.

Zum Abschluss seiner Rede beschwört Selenskyj nochmal die Einheit Europas und den gemeinsamen Willen, den Krieg in seinem Land zu beenden. Er bedankt sich für die Einladung in den Bundestag, zu dem er bisher nur per Videoschalte sprechen konnte. Das war wenige Wochen nach Kriegsbeginn vor mehr als zwei Jahren. Und er bedankt sich abermals bei Deutschland – diesmal für die Aufnahme der vielen Menschen, die vor russischen Bombenangriffen fliehen mussten. Dann verlässt er den Saal, begleitet von minutenlangem Applaus der Abgeordneten.

Große Teile der AfD und BSW fehlen bei Selenskyjs Rede

Diejenigen, die an diesem Tag im Parlament sind, haben sich aus Respekt vor dem ukrainischen Präsidenten von ihren Stühlen erhoben. Der Saal ist gut gefüllt, aber an den Rändern fransen die Reihen aus. Weite Teile der AfD-Fraktion fehlen. Deren Spitze beschimpft den Gast aus dem überfallenen Land in einer Erklärung als "Kriegs- und Bettelpräsidenten". Auch die neue Wagenknecht-Partei bleibt dem Auftritt Selenskyjs fern. In einer BSW-Mitteilung heißt es, der ukrainische Präsident trage dazu bei, "eine hochgefährliche Eskalationsspirale zu befördern".

Unionsfraktionschef Friedrich Merz spricht daraufhin von einem "Tiefpunkt in der Kultur unseres Parlaments". SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast nennt das Fernbleiben der Abgeordneten "peinlich und respektlos". Linken-Chefin Janine Wissler sieht in dem Verhalten einen Beleg dafür, dass es dem BSW mit seinem Werben um eine Verhandlungslösung nicht ernst sei: "Einem Präsidenten, dessen Land seit über zwei Jahren völkerrechtswidrig angegriffen wird, nicht einmal zuzuhören, zeugt nicht gerade von einem ernsten Interesse an Diplomatie."

Und so zeigt dieser Auftritt des ukrainischen Präsidenten zweierlei: Die Hilfe für die Ukraine hat nach wie vor breiten parlamentarischen Rückhalt. Doch je länger der Krieg dauert, desto mehr gerät diese Politik der Unterstützung für Kiew unter Druck.

Im Video: BR-Reporter Mario Kubina berichtet aus dem Bundestag

Interview: BR-Reporter Mario Kubina im Bundestag
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Interview: BR-Reporter Mario Kubina im Bundestag

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