Vor drei Jahren beeilte sich Wolodymyr Selenskyj, die Münchner Sicherheitskonferenz sofort nach seinem flehentlichen Hilfsappell und den Worten "Wir werden vergessen" wieder Richtung Heimat zu verlassen. Und tatsächlich: Fünf Tage später überfiel Russland die Ukraine. Seitdem steht die weltweit wohl bedeutendste Konferenz ihrer Art vor allem im Schatten von Putins Angriffskrieg und seinem imperialen Machtstreben.
Verändert hat sich aber die Ausrichtung. Während es auf den letzten beiden Treffen um die Unterstützung der Ukraine ging, wird dieses Jahr vor allem über ein mögliches Ende des Krieges gesprochen werden.
Keine Verhandlungen zum Kriegsende in München
Verhandlungen wird es in München aber nicht geben, betont der Vorsitzende der Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen. Denn dazu gehörten alle Parteien, und russische Regierungsvertreter seien bewusst nicht eingeladen. Der Grund liege in der bisherigen Gesprächsverweigerung des russischen Präsidenten Putin gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj.
Mit Spannung wird daher die Reaktion Selenskyjs auf die US-Vorschläge erwartet. Der ukrainische Präsident wird heute (Freitag) mit dem US-Vizepräsidenten J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio zu einem Gespräch zusammenkommen. Schon im Vorfeld hatten Vertreter der US-Administration mehrere Punkte klargemacht:
- Eine Ukraine in den Grenzen vor 2014, also vor Annexion der Krim durch Russland, sei unrealistisch.
- Die Ukraine werde nach Ende der im Raum stehenden Friedensverhandlungen kein NATO-Mitglied sein
- Die Sicherheitsgarantien für die Ukraine müssten vor allem von den europäischen Staaten getragen werden.
Russland in besserer Position
Christoph Heusgen sieht Russland nicht nur wegen der US-Positionen in der wesentlich besseren Verhandlungsposition, sondern auch, weil die Zeit für Russland laufe. Heusgen hatte als außenpolitischer Berater Angela Merkels nach der Krim-Annexion 2015 das Minsker Abkommen zwischen der Ukraine und Russland entscheidend mitverhandelt.
Wichtig für Verhandlungen sind aus Sicht des Diplomaten zwei Punkte: Zum einen dürfe es keine Gespräche über die Ukraine hinweg geben. Zum anderen müssten die europäischen Staaten mit am Tisch sitzen, wenn es am Ende so sein soll, dass sie die Hauptlast für die Sicherung dieses Abkommens tragen sollen.
Weckruf für Europa
"München wird ein Weckruf sein, die Stunde Europas hat geschlagen", so Heusgen. Europa müsste endlich mehr tun für die Garantie seiner eigenen Sicherheit.
Auf besonderes Interesse wird im Zusammenhang mit möglichen Friedensgesprächen auch der Auftritt des chinesischen Außenministers Wang Yi stoßen. China hat sich in diesem Krieg recht unverhohlen auf die Seite Russlands gestellt, obwohl es immer wieder betont, es sei ein neutraler Vermittler. Das Land habe wichtige Hebel, so Heusgen, um auf einen Frieden hinzuwirken.
China wird aber auch aus einem anderen Grund zunehmend im Zentrum des Interesses stehen. Denn China wird von den USA als größter Konkurrent und auch als größte Gefahr um weltweiten Einfluss wahrgenommen. Politisch wie wirtschaftlich. Trumps Zollpolitik hat den Handelskrieg bereits in Gang gesetzt. Die drastischen Kürzungen bei der US-Entwicklungshilfe könnten China sogar mehr Einfluss geben. Das autokratische Land ist in vielen afrikanischen Ländern als Geldgeber für Infrastrukturprojekte aktiv.
Bundespolitik stark vertreten
Da die Sicherheitskonferenz in diesem Jahr nur eine Woche vor der Bundestagswahl stattfindet, werden neben Regierungsvertretern wie Bundeskanzler Olaf Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius auch Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz die Konferenz für ein Speed-Dating mit verschiedenen Regierungschefs, dem US-Vizepräsidenten, aber auch dem Nato-Generalsekretär Mark Rutte oder der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas nutzen.
Auch das brüchig erscheinende Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas wird die Konferenz beschäftigen. Die Hamas hatte Anfang der Woche angekündigt, keine weiteren israelischen Geiseln freilassen zu wollen, weil sich Israel nicht an die Vereinbarung zur Waffenruhe halte. Israels Regierungschef Netanjahu drohte der Hamas im Gegenzug mit der Fortsetzung des Krieges.
Inzwischen hat die Hamas eingelenkt, am Samstag läuft die Frist zur Freilassung der Geiseln aus. Der israelische Außenminister wird in München sein, Premier Netanjahu nicht. Gegen ihn hat der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl erlassen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das heißt, er müsste hier verhaftet werden.
Erweiterter Sicherheitsbegriff
Auch wenn internationale Kriege und Krisen viele Diskussionen bestimmen werden, hat die Münchner Konferenz ihren Sicherheitsbegriff längst erweitert. Es geht nicht nur um militärische Sicherheit, sondern um Querschnittsthemen wie Klimasicherheit, Ernährungs- und Gesundheitssicherheit, Wirtschaftssicherheit. Und in diesem Jahr unter anderem auch um das Thema Desinformation und Künstliche Intelligenz.
Christoph Heusgen wird die Konferenz zum dritten und letzten Mal leiten. Im kommenden Jahr soll der ehemalige Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg übernehmen. Der ursprüngliche Plan, dass der Norweger schon am Sonntag seine neue Aufgabe übernimmt, ist gescheitert. Denn Stoltenberg springt in seinem Heimatland bis zu den Wahlen im September als Finanzminister ein.
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