Grundschüler und -schülerinnen in Bayern (Symbolbild)
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"Startchancen"-Schulen: Bildungspolitische Trendwende?

"Startchancen"-Schulen: Bildungspolitische Trendwende?

Das bundesweite Startchancen-Programm beginnt, auch Bayern profitiert. Das Ziel: mehr Bildungsgerechtigkeit. Der Fokus liegt auf sozial benachteiligten Schülern. Eingeplant sind 20 Milliarden Euro für zehn Jahre. Reicht das für eine Bildungswende?

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ist Mitte Juli von Mecklenburg-Vorpommern bis nach Bayern unterwegs, um ganz besondere Schulen zu besuchen – wie die Dalberg Schule in Aschaffenburg: 400 Kinder gehen hier zur Schule, fast 90 Prozent ihrer Eltern sind zugewandert, stammen aus 24 verschiedenen Nationen.

Die Aschaffenburger Schule zählt zu den ersten 100 Schulen in Bayern, die jetzt zu sogenannten "Startchancen-Schulen" werden. Insgesamt sollen die nächsten Jahre mehr als 580 Schulen in ganz Bayern zu Startchancen-Schulen werden.

Ministerin: "Elternhaus entscheidet immer noch über Bildungsweg"

Die Schulen eint, dass ein großer Anteil der Schüler arm ist oder nicht aus Deutschland kommt. Der Förderbedarf ist dort besonders hoch. Hier setzt das Programm von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) an. Das Ziel: für mehr Chancengerechtigkeit sorgen.

Denn: Bildungserfolg hängt in Deutschland immer noch stark von der sozialen Herkunft ab. "Das Elternhaus entscheidet immer noch über den Bildungsweg. Man soll sich frei entscheiden können, welchen Bildungsweg man geht. Deswegen ist es ganz klar: Wir brauchen eine bildungspolitische Trendwende", so Stark-Watzinger.

Programm für Schulen: 20 Milliarden Euro für zehn Jahre

Hinter dieser Wende steckt vor allem viel Geld: 20 Milliarden Euro geben Bund und Länder gemeinsam in den nächsten zehn Jahren für das Programm aus. Das Ziel ist ambitioniert: die Zahl der Schüler, die die Mindeststandards in Lesen, Rechnen und Schreiben nicht erreichen, zu halbieren. Mehrere Bildungsstudien – darunter auch die bekannte PISA-Studie – hatten zuletzt gezeigt, dass vor allem Grundschüler in diesen Bereichen erhebliche Probleme haben.

Sprachförderung, neue Lernräume, aber auch Schulpsychologen oder IT-Experten: Für all das können die ersten Schulen ab jetzt das Geld aus dem Programm ausgeben. Ab August starten die ersten über 2.000 Schulen bundesweit, insgesamt sollen in den nächsten Jahren in ganz Deutschland 4.000 Schulen davon profitieren. Für Stark-Watzinger ist es "das größte und langfristigste Bildungsprogramm in der Bundesrepublik." Ist es das wirklich?

Startchancen-Programm: Jede zehnte Schule profitiert

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll aus Bayern, meint: Das Programm sei gut, setze da an, wo es am dringendsten gebraucht werde. Die gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern bezeichnet er im BR24-Interview als "Meilenstein", denn: Bisher wurden die Mittel nach der Länderfinanzkraft (Königsteiner Schlüssel) verteilt – jetzt werde konkret da gefördert, wo es notwendig sei.

Der große "Gamechanger" aber bleibe beim Programm aus, dafür bräuchte es mehr Geld: "Es wird Schulen geben, die nicht in den Genuss dieses Programms kommen, weil die Mittel begrenzt sind, somit kann ich nicht alle Schulen erreichen, die es bräuchten." Etwa jede zehnte Schule in Deutschland wird vom Programm profitieren. In seiner Heimatstadt Augsburg gebe es Schulen, die in der jetzt beginnenden ersten Tranche nicht dabei sind. "Ich will hoffen, dass sie in der zweiten dabei sind", so Düll.

SPD und Grüne: "Nur ein Anfang"

Das kann nur ein Anfang sein, heißt es daher auch aus den eigenen Ampel-Reihen von Grünen und SPD. Die bayerische Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner ist im Bildungsausschuss des Bundestags und meint: Weitere Schritte müssten in der Bildungspolitik jetzt folgen, um beispielsweise "die Schulen digital auszustatten und die Lehrkräfte in der Breite ihres Anforderungsprofils weiterzubilden und zu unterstützen."

Unionspolitiker fordert Förderung schon vor der Einschulung

Schärfere Kritik hingegen kommt aus der Opposition: Für den bildungspolitischen Sprecher der Union, Thomas Jarzombek (CDU), löse das Programm das eigentliche Problem nicht. Wer Bildungsgerechtigkeit wolle, müsse Kinder bereits vor der Einschulung stärker fördern, zum Beispiel in Kitas.

Woher aber das zusätzliche Personal für die Forderung der Union einerseits, aber auch für das Programm der Bundesbildungsministerin andererseits kommen soll: offen. Klar ist daher: Mit dem Startchancen-Programm ist ein erster Schritt getan – alle Hausaufgaben im Bildungsbereich sind damit noch nicht erledigt.

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