Ein Flugzeug hebt ab mit Stacheldraht im Vordergrund (Symbolbild)
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Stellschrauben gegen irreguläre Migration – von A bis Z

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Stellschrauben gegen irreguläre Migration – von A bis Z

Stellschrauben gegen irreguläre Migration – von A bis Z

Die Politik diskutiert, wie die irreguläre Migration eingedämmt werden kann. Dabei gibt es etliche Stellschrauben, an denen sie drehen kann - und schon gedreht hat. Welche Lösungsansätze funktionieren und welche nicht?

Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland hat einen neuen Höchststand erreicht. Städte und Gemeinden fühlen sich überlastet. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend halten 77 Prozent der Befragten eine Wende in der Asyl- und Flüchtlingspolitik für notwendig.

💡 Aktuell leben knapp 3,5 Millionen Flüchtlinge in Deutschland. Etwa ein Drittel davon (1,18 Millionen) kommt aus der Ukraine. In diesem Jahr haben bisher 160.140 Menschen Asyl in Deutschland beantragt (vgl. Januar bis August 2023: 204.461 Erstanträge).

Die Politik sucht nach Lösungen, die irreguläre Migration zu reduzieren. Was ist möglich? Eine Auswahl von A bis Z.

Abschiebungen

Ende Juni waren 226.882 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. Gut 80 Prozent davon sind geduldet. Sie werden nicht abgeschoben, weil sie krank sind oder die nötigen Papiere fehlen. Ohne diese verweigern Herkunftsländer die Einreise. Geduldete Geflüchtete müssen bei der Passbeschaffung mitwirken. Allerdings erschweren einige Botschaften die Zusammenarbeit. Eine Stellschraube hier: Migrationsabkommen, die die Zusammenarbeit erleichtern.

Seit dem Jahr 2015 schützt außerdem eine Ausbildung vor der Abschiebung. An dieser Stellschraube will mit Blick auf den Fachkräftemangel aktuell niemand drehen.

Theoretisch können nach geltendem Recht etwa 45.000 Menschen abgeschoben werden. Praktisch scheitern viele Abschiebungen, weil Flüge abgesagt werden oder Fluglinien den Transport verweigern. Deshalb chartern Bund und Länder immer wieder eigene Flugzeuge. Dafür erteilen aber nicht alle Länder eine Landeerlaubnis.

Anfang des Jahres hatte die Bundesregierung einige Stellschrauben gedreht und die Befugnisse der Polizei erweitert und den Abschiebegewahrsam von 10 auf 28 Tage verlängert. Das soll das Untertauchen vor der Abschiebung verhindern. Die Zahl der Abschiebungen steigt: Im ersten Halbjahr 2024 waren es 9.465 (vgl. 1. Halbjahr 2023: 7.861).

Asylrecht

In Deutschland steht das Recht auf Asyl in der Verfassung, im Artikel 16a des Grundgesetzes. Als Anfang der 1990er-Jahre durch die Jugoslawienkriege die Zahl der Asylanträge in Deutschland deutlich stieg, hat die Politik das Asylrecht eingeschränkt. Wer über einen "sicheren Drittstaat" einreist, konnte sich nicht mehr auf das Grundrecht berufen.

Für so eine Änderung des Grundgesetzes ist eine Zweitdrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig. Auch das Asylgesetz wurde in den vergangenen Jahren verschärft, unter anderem um abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben. Rechtliche Stellschrauben gibt es also etliche und sie werden immer wieder benutzt.

Überlagert werden die deutschen Gesetze aber von EU-Vorgaben und völkerrechtlichen Abkommen wie die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Europäische Grundrechtecharta. Die Bundesregierung kann sich hier für Änderungen starkmachen, ist dabei aber auf andere Länder angewiesen. So gilt in der EU in solchen Fällen das Prinzip der Einstimmigkeit.

Ein Ausstieg aus dem EU-Asylsystem, wie es derzeit in Ungarn oder den Niederlanden diskutiert wird, wäre möglich, wenn alle 27 EU-Mitglieder das wollen. Auch Sonderwege sind denkbar, wie im Fall Dänemark. Das Land nimmt nicht an der gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik teil und ist deshalb in diesem Bereich nicht an EU-Vorgaben gebunden.

Beschleunigte Verfahren

Aktuell braucht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Schnitt 8,2 Monate, um einen Asylantrag zu bearbeiten. Im vergangenen Jahr wurde anschließend gegen etwa jede dritte Entscheidung geklagt. Die Asylklageverfahren dauern im bundesweiten Schnitt 20,7 Monate (Stand 2023). In Bayern geht es mit 19,6 Monaten etwas schneller.

Rheinland-Pfalz braucht nur fünf Monate. Dort werden Asylklagen an einem einzigen Verwaltungsgericht behandelt. Die Richterinnen und Richter können sich spezialisieren und dadurch schneller entscheiden. Digitale Akten beschleunigen die Verfahren ebenso – eine effektive Stellschraube.

Zuletzt ist etwas mehr Tempo in die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gekommen. Denn die Bundesregierung hat schon an einer Stellschraube gedreht: Sie hat die Rechtsprechung vereinheitlicht. Denkbar wäre es auch, Fristen für Einsprüche etc. zu verkürzen. Eine weitere Stellschraube wäre eine effektivere Verwaltung.

Dublin-Verordnung

Hier ist geregelt, dass das erste EU-Land, das von einem Flüchtling betreten wird, für das Asylverfahren zuständig ist. Meist sind das die Länder an den EU-Außengrenzen. Wer in Deutschland Asyl beantragt, wird registriert und identifiziert. Ist ein anderes EU-Land zuständig, stellen die deutschen Behörden ein Übernahmeersuchen. Stimmt das zuständige Land zu, hat Deutschland in der Regel sechs Monate Zeit für eine Überstellung. Dauert es länger, wird Deutschland für das Verfahren zuständig. Eine Stellschraube: schnellere Verfahren.

Im laufenden Jahr haben die deutschen Behörden 49.650 Übernahmeersuchen gestellt. 28.479 Mal wurde zugestimmt. Überstellt wurden nur 3.948 Personen. Oft weigern sich EU-Länder wie Italien, die Menschen zurückzunehmen. Nach Griechenland gab es längere Zeit kaum Überstellungen, weil deutsche Gerichte dort unmenschliche Zustände bei der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber gesehen haben.

Possoch klärt: Was machen Schweden und Dänemark anders beim Asyl?

Migration
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