Ab heute werden die Grenzkontrollen in Deutschland ausgeweitet und verstärkt, um irreguläre Migration zu begrenzen. Das hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angeordnet. Dem bayerischen Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) geht das nicht weit genug: Wenn die Bundesministerin Grenzkontrollen ankündige, ohne systematisch zurückzuweisen, laufe das ins Leere.
Aber wie ist eigentlich die Situation in Bayern? Ein Blick in die Daten:
So viele Schutzsuchende leben in Bayern
Einen ersten Eindruck darüber, wie viele Menschen nach Deutschland flüchten, gibt die Zahl der sogenannten Schutzsuchenden. Unter diesen Begriff werden im Ausländerzentralregister (AZR) alle Ausländer und Ausländerinnen gezählt, die sich unter Berufung auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe in Bayern und Deutschland aufhalten.
Schutzsuchend ist damit die breiteste Definition. Darunter fallen Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben. Aber auch die Geflüchtete, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die aus verschiedenen Gründen dennoch in Deutschland geduldet werden. Und die Ukrainer und Ukrainerinnen, die sich in Deutschland nur registrieren müssen.
Die folgende Grafik zeigt, wie sich die Gesamtzahl der in Bayern und Deutschland lebenden Schutzsuchenden in den vergangenen Jahren entwickelt hat.
Bei der Aufnahme von Schutzsuchenden insgesamt ist es wichtig, die Zahlen im Verhältnis zur Einwohnerzahl zu betrachten. Die folgende Karte zeigt für jeden Landkreis den Anteil der Schutzsuchenden an der Gesamtbevölkerung zum Jahresende 2023.
Deutschlandkarte: Wo wurden verhältnismäßig die meisten Schutzsuchenden aufgenommen?
Man sieht: In Bayern gibt es ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. In vielen bayerischen Landkreisen leben im Verhältnis zur Einwohnerzahl insgesamt weniger Schutzsuchende als in den zugehörigen kreisfreien Städten. Die Landkreise Straubing-Bogen und Coburg haben mit 1,3 Prozent sogar den niedrigsten Anteil in ganz Deutschland. Dafür ist die Konzentration in einigen mittelgroßen Städten wie Hof und Bamberg deutlich höher als im Schnitt. Den deutschlandweit höchsten Anteil hat die Stadt Bayreuth (10,6 Prozent) – während im gleichnamigen Landkreis vergleichsweise wenig Schutzsuchende leben.
Woher kommen die Menschen, die in Bayern Schutz suchen?
Mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges suchten viele Ukrainerinnen und Ukrainer in Bayern Schutz. An zweiter und dritter Stelle kommen Menschen aus Syrien und Afghanistan. Die folgende Grafik zeigt den aktuellen Stand: Diese sechs aufgeführten Staatsangehörigkeiten haben die meisten Schutzsuchenden, die in Bayern und Deutschland leben.
Grafik: Häufigste Staatsangehörigkeiten der Schutzsuchenden in Bayern und Deutschland
Nur ein Teil der jährlich neu hinzukommenden Schutzsuchenden stellt einen Antrag auf Asyl. Ukrainer und Ukrainerinnen, die vor dem Krieg fliehen, erhalten nach einer EU-Richtlinie kollektiven Schutz und damit auch ohne individuellen Asylantrag eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis. Die folgende Grafik zeigt, wie viele Asyl-Erstanträge in den letzten in Bayern und Deutschland gestellt wurden:
Grafik: Wie viele Asylanträge werden aktuell in Bayern gestellt?
Nimmt Bayern besonders viele Geflüchtete auf?
Nach Nordrhein-Westfalen ist Bayern das Bundesland, in dem im Jahr 2024 bisher die meisten Anträge auf Asyl gestellt wurden. Aber: Der Freistaat ist nach Nordrhein-Westfalen das Bundesland mit der zweitgrößten Bevölkerung.
Außerdem ist es nicht Zufall, an welchem Ort Menschen ihren Asylantrag stellen. Es gibt ein Quotensystem, den sogenannten Königsteiner Schlüssel. Er soll die faire Erstverteilung von Asylsuchenden auf die einzelnen Bundesländer garantieren. Die Berechnung der Quote berücksichtigt die Bevölkerungszahl (ein Drittel), aber auch das Steueraufkommen (zwei Drittel). Wie viele Asylsuchende auf ein Bundesland entfallen, hängt also auch stark von der Wirtschaftskraft ab.
Entsprechend muss man die Anzahl der gestellten Asylanträge in Relation betrachten, etwa zur Einwohnerzahl. Wie die folgende Grafik zeigt, liegt Bayern dann eher im unteren Bereich.
Grafik: Wie viele Asyl-Erstanträge wurden 2024 in den Bundesländern gestellt?
Schutzsuchende in Deutschland erhalten entsprechend ihrer Fluchtgeschichte einen Schutzstatus. Ein offener Schutzstatus bedeutet, dass sie sich in einem Asylverfahren befinden, und noch nicht abschließend über den Schutzstatus entschieden wurde.
Nach Abschluss eines Asylverfahrens können Schutzsuchende mit einem anerkannten Schutzstatus einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel bekommen. Für einen unbefristeten Aufenthaltstitel sind beispielsweise ausreichende Deutschkenntnisse und der Nachweis, seinen Lebensunterhalt selbst stemmen zu können, notwendig. 80 Prozent der Schutzsuchenden in Deutschland haben einen solchen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel.
Wer kann überhaupt abgeschoben werden?
Schutzsuchende, deren Asylverfahren abgelehnt wurde oder die ihren Aufenthaltstitel verloren haben, halten sich in Deutschland als "Ausreisepflichtige" auf. Die meisten ausreisepflichtigen Personen sind geduldet. Das bedeutet, dass sie laut dem Paragraf 60a des Aufenthaltsgesetzes aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen aktuell nicht abgeschoben werden dürfen. Solche Gründe sind zum Beispiel fehlende Ausweispapiere oder Erkrankungen. Die Abschiebung ist dann vorübergehend ausgesetzt.
Sogenannte vollziehbar Ausreisepflichtige ohne Duldung muss die Ausländerbehörde abschieben – reisen sie nicht selbstständig aus, wird die Ausreise dann mit Zwangsmittel, etwa einem Polizeieinsatz, durchgesetzt. Abschiebungen sind Aufgabe der Bundesländer in Zusammenarbeit mit der Landes- und Bundespolizei.
In Deutschland lebten zum 31.12.2023 rund 18.000 ausreisepflichtige Schutzsuchende, 2.000 davon in Bayern.
Grafik: Diesen Status haben Schutzsuchende in Deutschland und Bayern
Im Jahr 2023 und im ersten Quartal 2024 - also von Januar bis März - wurden insgesamt rund 21.000 Menschen abgeschoben, das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken [externer Link] hervor. Damit wurden 2023 mehr Menschen abgeschoben als in den drei vorangegangen Jahren. In diese Zeit fällt allerdings auch die Corona-Pandemie, die die Anzahl der Abschiebungen verringerte.
Grafik: So viele Menschen werden in Deutschland pro Jahr abgeschoben
In den Bundesländern, die nach dem Königsteiner Schlüssel auch die meisten Menschen aufnehmen, gab es auch die meisten Abschiebungen. In Nordrhein-Westfalen wurden in diesem Jahr von Januar bis März 1.117 Menschen abgeschoben. In Bayern waren es in diesem Zeitraum 766.
Grafik: So viele Menschen werden in den Bundesländern pro Jahr abgeschoben
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Die meisten Menschen wurden 2023 und im ersten Quartal 2024 nach Georgien, Österreich und Nordmazedonien abgeschoben oder in ein anderes europäisches Land überstellt. Nach der Dublin-Verordnung ist das häufig ein Land, in dem die Person erstmals in Europa angekommen ist oder für das sie bereits ein Visum besessen hat.
Grafik: Wohin werden Menschen abgeschoben?
Die meisten Menschen, die aus Deutschland abgeschoben wurden, kamen 2023 aus Georgien, der Türkei und Afghanistan. Von Januar bis März 2024 waren die meisten abgeschobenen Personen nordmazedonische Staatsbürgerinnen und -bürger.
Grafik: Welche Staatsangehörigkeiten haben abgeschobene Personen?
Anders als bei einer Abschiebung werden die Menschen bei Zurückweisungen direkt an der Landesgrenze an der Einreise nach Deutschland gehindert. Es können nur Personen zurückgewiesen werden, die mit einer Einreisesperre, zum Beispiel, weil sie schon einmal abgeschoben wurden, belegt sind oder kein Asyl beantragen. Durch das Dublin-Abkommen dürfen Menschen, die einen Asylantrag stellen wollen, nicht ohne Asylverfahren zurückgeschickt werden.
Grafik: An welchen Grenzen werden Menschen zurückgewiesen?
Auch innerhalb von Europa variiert die Anzahl der gestellten Asylanträge. Betrachtet man die gestellten Asylanträge im Verhältnis zu den Einwohnerinnen und Einwohnern, steht Zypern an erster Stelle, gefolgt von Griechenland und Island.
Grafik: In welchen europäischen Ländern werden die meisten Asylanträge gestellt?
💡 Sophie Menner und Claudia Kohler analysieren für BR24 TV, Radio und hier im Digitalen Daten – mit dem Fokus auf Bayern. Die Recherchen beleuchten datengestützt aktuelle Themen und deren Hintergründe und Zusammenhänge. Eine Kooperation mit der Tageszeitung Main-Post ist preisgekrönt. Haben Sie ein Thema, auf das wir mit der Datenbrille schauen sollen? Schreiben Sie uns: br24.feedback@br.de, Stichwort: Datenthema
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