Verteidigungsminister Boris Pistorius hat sich nach einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zum russischen Lauschangriff auf die Bundeswehr vor führende Offiziere der Luftwaffe gestellt. Zugleich bestätigte er, dass auch Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz selbst als zweiter von insgesamt vier Teilnehmern über eine nicht sichere Leitung zugeschaltet war. Allerdings sei es nach bisherigen Ermittlungen bei ihm anders als bei einem anderen Teilnehmer nicht zu einem Datenabfluss gekommen.
Vor möglichen dienstrechtliche Konsequenzen müssten Ermittlungen abgewartet werden. "Ich bin nicht gewillt, das will ich noch mal deutlich sagen, Putin hier auf den Leim zu gehen und meine besten Offiziere, ob sie hier einen Fehler gemacht haben oder nicht, an die Luft zu setzen", sagte Pistorius. Und: "Das wäre genau das, was Wladimir Putin von uns erwartet."
Als generelle Lehre aus dem Vorfall kündigte Pistorius an, die Sensibilisierung zu Sicherheitsfragen in der Bundeswehr nochmals zu verstärken und genutzte Schutzsysteme gegebenenfalls zu härten. Inzwischen dürften demnach allen auch außerhalb der Bundeswehr klar sein, "wie leichtfertig gelegentlich mit Handykommunikation umgegangen wird", sagte der Minister. Aber auch mit besseren Schutzmaßnahmen ließen sich solche Abhörvorfälle wohl nie vollständig ausschließen.
Union sieht weiter offene Fragen
Ein russischer Nachrichtendienst hatte eine Schaltkonferenz von vier hohen Offizieren der Luftwaffe abgehört. Sie hatten über Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper gesprochen, falls der Taurus doch noch an die Ukraine geliefert würde. Vor einer Woche hieß es, ein "individueller Anwendungsfehler" habe den Lauschangriff ermöglicht. Einer der Generäle, der von Singapur aus an dem Gespräch über Plattform Webex teilgenommen habe, habe sich über eine "nicht sichere Datenleitung" eingewählt, also Mobilfunk oder WLAN.
Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Florian Hahn, sagte nach der Sitzung am Montag, es seien noch Fragen offen. Nötig sei es, in der Taurus-Debatte auch Kanzler Olaf Scholz sowie zu der Abhöraffäre den Luftwaffeninspekteur zu sprechen.
Scholz bekräftigt Nein zu Taurus
Scholz erteilte der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine unterdessen erneut eine deutliche Absage. "Meine Klarheit ist da. Das ist meine Aufgabe als Kanzler, als Regierungschef hier mich präzise zu äußern und keine missverständlichen Erwartungen zu wecken. Entsprechend klar sind auch meine Antworten", sagte Scholz am Abend bei einer Pressekonferenz in Berlin auf die Frage, ob er wie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) einen Ringtausch mit Großbritannien statt einer direkten Lieferung als Option sehe. Er halte den Einsatz des Taurus nicht für vertretbar, deswegen gehe es in dieser Frage "weder um direkt noch um indirekt", betonte Scholz.
Die Ukraine hat die Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern bereits im vergangenen Mai von Deutschland erbeten. Scholz hatte der Anfrage zuerst im Oktober und dann erneut vor zwei Wochen eine klare Absage erteilt. Er bekräftigte am Montag, dass er den Ukrainern das Waffensystem nicht ohne deutsche Kontrolle der Zielsteuerung überlassen wolle. Da dies aus seiner Sicht nicht ohne deutsche Soldaten möglich sei, lehne er den Einsatz ab. Scholz befürchtet, dass Deutschland sonst in den Krieg hineingezogen werden könnte.
Debatte über Ringtausch
Baerbock hatte zuvor einen sogenannten Ringtausch, bei dem Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben und London dafür weitere Storm Shadow aus seinen Beständen an die Ukraine liefern würde, als "Option" bezeichnet.
SPD-Chef Lars Klingbeil lehnte dies dagegen ab. Er verteidigte im ARD-"Morgenmagazin" auch das Nein von Scholz zu Taurus-Lieferungen an die Ukraine und forderte, die europäischen Partner sollten sich darauf konzentrieren, endlich mehr Munition zu produzieren und zu liefern. Auch Pistorius sagte am Abend, er sehe in einem Ringtausch keine Lösung.
Mit Informationen von dpa und AFP
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