Es ist ein Mammut-Fall – ungewöhnlich vor allem wegen der hohen Zahl der Angeklagten: Insgesamt 26 Personen müssen sich vor den Oberlandesgerichten von Stuttgart, Frankfurt und München wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens verantworten.
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Was den Angeklagten in München vorgeworfen wird
Allein in München stehen deshalb seit dem Vormittag acht Personen vor Gericht. Vier von ihnen müssen sich zudem wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verantworten, einer wegen Verstößen gegen das Waffengesetz. Ihnen drohen langjährige Haftstrafen.
Mehrere der in München Angeklagten sollen dem sogenannten "Rat" der Vereinigung, der mutmaßlichen "Reichsbürger"-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß, angehört haben – ähnlich dem Kabinett einer rechtmäßigen Regierung oder dem Führungsstab des "militärischen Arms". Mehrere Beschuldigte waren laut Anklage frühzeitig in die Planungen für ein gewaltsames Eindringen in den Bundestag eingebunden oder sollten selbst daran teilnehmen und wurden hierfür ausgerüstet. Das Gericht hat für die Hauptverhandlung zunächst insgesamt 55 Termine bestimmt, aktuell bis Ende Januar 2025.
Unterschiedliche Urteile denkbar
Zur hohen Zahl der Angeklagten kommt eine Vielzahl von Verteidigerinnen und Verteidigern und mehrere hundert Zeugen. Wohl wegen dieser Dimension hat sich die Anklagebehörde, die Bundesanwaltschaft, dazu entschlossen, den Komplex auf drei Gerichte zu verteilen. Bereits im Vorfeld der Prozesse hatte zum Beispiel der Präsident des OLG Stuttgart, Andreas Singer, gesagt, man könne sonst nicht gut genug auf jeden einzelnen Angeklagten eingehen und ihm gerecht werden.
Für Laurent Lafleur, den Leiter der Pressestelle für Strafsachen in München, liegen die Gründe für die Entscheidung der Bundesanwaltschaft zur Aufteilung des Prozess-Komplexes auf drei Standorte auf der Hand: Eine Hauptverhandlung mit 26 Personen auf der Anklagebank sei in Deutschland schon räumlich nicht zu realisieren gewesen, passende Gerichtssäle würden einfach fehlen.
Jedes der drei Gerichte hat nun andere Anklagen zu verhandeln. Es sind jeweils unterschiedliche Personen angeklagt. Jedes Gericht führe auch seine eigene Beweisaufnahme und seine eigene rechtliche Würdigung durch, so Lafleur. Nachdem all dies jeweils unabhängig von dem erfolge, was andere Gerichte machen, seien auch unterschiedliche Urteile, die sich vielleicht sogar widersprechen, denkbar.
Auch andere Prozesse wurden aufgeteilt
Dass ein identisches oder vergleichbares Kriminalitätsphänomen an unterschiedlichen Gerichtsstandorten – auch zeitgleich – verhandelt werde, ist nach Auskunft von Lafleur an sich nichts Besonderes. So würden etwa jedes Jahr mehrere Verfahren gegen Angehörige der PKK in ganz Deutschland verstreut stattfinden. Auch Verfahren gegen Angehörige des IS werden demnach nicht an einem Ort konzentriert, sondern an unterschiedlichen Oberlandesgerichten verhandelt.
Verteidiger sind skeptisch
Die Verteidigerinnen und Verteidiger sehen die Aufteilung in drei Prozesse allerdings sehr kritisch. Die Struktur einer mutmaßlichen neuen terroristischen Vereinigung könne ein Gericht nur in einer gemeinsamen Hauptverhandlung feststellen, argumentieren einige. Weil sie nicht genau mitbekommen, was in den anderen Gerichtssälen verhandelt würde, könnten sie ihre Mandanten nicht effektiv verteidigen.
Mit Informationen von dpa
Im Video: Reichsbürger-Prozess am Oberlandesgericht München gestartet
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