Palästinenser begutachten die Zerstörung nach einem israelischen Luftangriff auf ein Flüchtlingslager, bei dem mindestens 45 Menschen getötet wurden. Der UN-Sicherheitsrat tagt heute zur Lage in Rafah.
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Palästinenser begutachten die Zerstörung nach einem israelischen Luftangriff. Der UN-Sicherheitsrat tagt am Nachmittag zur Lage in Rafah.

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"Dieser Horror muss aufhören": UN-Sicherheitsrat tagt zu Rafah

"Dieser Horror muss aufhören": UN-Sicherheitsrat tagt zu Rafah

Der UN-Sicherheitsrat hat für den Nachmittag eine Dringlichkeitssitzung einberufen. Auslöser ist der tödliche israelische Luftangriff auf Rafah bei dem mindestens 45 Menschen getötet wurden. Israel hat dazu derweil Ermittlungen eingeleitet.

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Nach einem tödlichen israelischen Luftangriff auf ein Flüchtlingslager nahe der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens hat der UN-Sicherheitsrat eine Dringlichkeitssitzung einberufen. Die Sitzung ist für den Nachmittag (Ortszeit) geplant; beantragt wurde sie von Algerien. Die Sitzung zur Lage in Rafah werde hinter verschlossenen Türen abgehalten, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Diplomatenkreisen.

Der Angriff in Rafah hatte am Sonntagabend mindestens 45 Menschen das Leben gekostet, mehr als 200 Zivilisten verletzt und die internationale Kritik an der Kriegführung Israels noch einmal verstärkt – auch von engen Verbündeten Israels. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach mit Blick auf den Vorfall von einem "tragischen Missgeschick".

UN-Generalsekretär Guterres: "Dieser Horror muss aufhören"

UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte derweil den Luftangriff. Es seien "zahlreiche unschuldige Zivilisten getötet" worden, die Schutz vor dem tödlichen Konflikt gesucht hätten, erklärte Guterres. Es gebe keinen sicheren Ort im Gazastreifen, fuhr er fort. "Dieser Horror muss aufhören." Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk sprach von "entsetzlichen" Bildern.

Nach Angaben des von der militant-islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums waren unter den Toten mindestens zwölf Frauen, acht Kinder und drei ältere Erwachsene. Weitere drei Leichen seien bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Nach palästinensischen Angaben handelt es sich bei dem Camp um das vom UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) betriebene Vertriebenenlager Barkasat nordwestlich von Rafah.

US-Regierung fordert von Israel besseren Schutz für Zivilisten

Auch die US-Regierung zeigte sich erschüttert über die zahlreichen toten Zivilisten. Die Bilder von dem Lager, in dem "Dutzende von unschuldigen Palästinensern" getötet worden seien, seien "niederschmetternd" und "herzzerreißend", erklärte in Washington ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus. Israel müsse "jede mögliche Vorsichtsmaßnahme ergreifen, um Zivilisten zu schützen", mahnte er.

Der Sprecher teilte auch mit, dass die US-Regierung Kontakt zur israelischen Armee und anderen Partnern vor Ort aufgenommen habe, um Informationen über den Angriff einzuholen.

Ermittlungen eingeleitet: Israel lässt Angriff untersuchen

Das israelische Militär hatte nach dem Angriff erklärt, es habe zwei hohe Funktionäre der Hamas getötet, die mit ihrem Terrorangriff auf den Süden Israels Anfang Oktober den aktuellen Gaza-Krieg ausgelöst hatte. Später erklärte das Militär, der Angriff werde untersucht. Die Militäranwältin Yifat Tomer-Yerushalmi bestätigte Ermittlungen und sagte, das Militär bedauere den Tod von Zivilpersonen.

Israel habe 70 strafrechtliche Ermittlungen wegen möglicher Verstöße gegen das Völkerrecht eingeleitet, darunter der Tod von Zivilisten, die Bedingungen in einem Gefangenenlager, in dem mutmaßliche Kämpfer festgehalten werden, und der Tod einiger Häftlinge in israelischem Gewahrsam, sagte Tomer-Yerushalmi auf einer Anwaltskonferenz. Auch Eigentumsdelikte und Plünderungen würden untersucht.

Menschenrechtler kritisieren israelische Justizbehörden

Israel betont immer wieder, es habe eine unabhängige Justiz, die in der Lage sei, Missstände zu untersuchen und zu verfolgen. Menschenrechtsgruppen sagen jedoch, dass die israelischen Behörden Gewalt gegen Palästinenser routinemäßig nicht vollständig untersuchen. Falls Soldaten zur Rechenschaft gezogen würden, falle die Strafe meist gering aus.

Bundesaußenministerium drängt auf schnelle Untersuchung

In Berlin äußerte sich die Bundesregierung zunächst zurückhaltend. Ob es sich dabei um ein Kriegsverbrechen handle, müssten Juristen klären, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Wenn so etwas passiert, ist das verurteilungswürdig." Das Bundesaußenministerium drängte ebenso auf eine schnelle Untersuchung und forderte, Zivilisten müssten endlich besser geschützt werden.

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron forderte auf "X": "Diese Operationen müssen aufhören." Der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto warnte, Israel schüre mit solchen Angriffen nur einen Hass, der sich noch auf seine Kinder und Enkel auswirken werde.

Vermittler Katar: Angriff könnte Verhandlungsgespräche erschweren

Der Vermittlerstaat Katar erklärte, der Angriff in Rafah könnte Gespräche erschweren. Katar spielt eine wichtige Rolle bei Versuchen, einen Waffenstillstand und die Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Die Verhandlungen, die offenbar wieder aufgenommen werden, sind wiederholt an der Forderung der Hamas nach einem dauerhaften Waffenstillstand und dem Abzug der israelischen Streitkräfte gescheitert, was die israelische Führung ablehnt.

Israel betrachtet Rafah an der Grenze zu Ägypten als letzte Hochburg der Hamas im Gazastreifen. In der Stadt haben Hunderttausende Menschen vor den Kämpfen in anderen Gebieten des Küstenstreifens Zuflucht gesucht.

Truppen Israels dringen in Rafah weiter vor

Israelische Bodentruppen sind derweil am Dienstag nach Augenzeugenberichten aus Rafah tiefer in die Stadt vorgedrungen. Demnach wurden Truppen auch im Zentrum, in der Nähe der Al-Awda-Moschee gesichtet, einem Wahrzeichen in der Stadtmitte. Die israelische Nachrichtenseite "ynet" berichtete unter Berufung auf Quellen in Rafah, es seien in dem Stadtviertel Tal al-Sultan israelische Panzer im Einsatz. Dort seien Bodentruppen bisher nicht gewesen. Vonseiten der israelischen Armee gab es zunächst keine Bestätigung dieser Berichte.

Mit Informationen von AFP und dpa

Zum Audio: Internationaler Gerichtshof - Israel muss Offensive in Rafah stoppen

Pro-israelische Demonstrationen vor dem Internationalen Gerichtshof. Israel muss seine Offensive auf Rafah stoppen, so das Urteil der Richter.
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Pro-israelische Demonstrationen vor dem Internationalen Gerichtshof. Israel muss seine Offensive auf Rafah stoppen, so das Urteil der Richter.

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