22.03.2025, Türkei, Istanbul: Ein Demonstrant wirft einen Feuerwerkskörper während einer Demonstration gegen die Verhaftung des Bürgermeisters von Istanbul, Imamoglu, in Istanbul
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Erdoğan-Kontrahent İmamoğlu als Istanbul-Bürgermeister abgesetzt

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Erdoğan-Kontrahent İmamoğlu als Istanbul-Bürgermeister abgesetzt

Erdoğan-Kontrahent İmamoğlu als Istanbul-Bürgermeister abgesetzt

Der türkische Oppositionspolitiker Ekrem İmamoğlu ist als Istanbuler Bürgermeister "vorübergehend" abgesetzt worden. Das teilte das türkische Innenministerium mit. Zuvor war der Kontrahent von Staatschef Erdoğan in Untersuchungshaft genommen worden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der Istanbuler Bürgermeister und prominente Erdoğan-Rivale Ekrem İmamoğlu ist vom türkischen Innenministerium "vorübergehend" seines Amtes enthoben worden. Wie das Ministerium am Sonntag mitteilte, sei er "von seinen Aufgaben suspendiert" worden. Zuvor war İmamoğlu auf Anordnung eines Gerichts in Untersuchungshaft genommen worden – wegen Korruptionsvorwürfen. Vertreter der Opposition sprachen von einem "Staatsstreich".

İmamoğlu wehrt sich

İmamoğlu war am Mittwoch gemeinsam mit Dutzenden weiteren Menschen festgenommen worden, wenige Tage vor seiner geplanten Nominierung als Präsidentschaftskandidat der größten Oppositionspartei CHP. Ihm werden Terror- und Korruptionsvorwürfe in zwei Verfahren gemacht. 

Der CHP-Politiker will dem politischen Druck nicht nachgeben. "Ich stehe aufrecht, ich werde mich nicht beugen", schrieb er am Sonntag auf der Internet-Plattform X.

Die Bundesregierung kritisierte das Vorgehen scharf. Es sei ein schwerer Rückschlag für die Demokratie in der Türkei, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Politischer Wettbewerb dürfe nicht mithilfe von Gerichten und Gefängnissen geführt werden.

Schwere Vorwürfe gegen Präsident Erdoğan

Oppositionelle wie auch Beobachter werfen der Regierung vor, mit ihrem Vorgehen gegen İmamoğlu einen politischen Konkurrenten ausschalten zu wollen. 

İmamoğlus Sieg 2019 in Istanbul gilt als eine herbe Niederlage der AKP-Partei Erdogans, die die Großstadt bis dahin regierte. Der CHP-Politiker gewann in Istanbul 2024 ein weiteres Mal. Istanbul ist die bevölkerungsreichste Metropole des Landes und sowohl politisch als auch wirtschaftlich von zentraler Bedeutung. Politisch wird die Kontrolle über die Stadt oft als Symbol für den allgemeinen politischen Einfluss im Land gesehen. 

Welches Verbrechen soll İmamoğlu begangen haben?

Hintergrund der Terrorermittlungen gegen İmamoğlu ist laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu eine Kooperation zwischen der CHP und der prokurdischen Dem-Partei bei den Kommunalwahlen. Über diese Kooperation habe die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK versucht, ihren Einfluss auszuweiten, zitierte Anadolu am Mittwoch die Generalstaatsanwaltschaft.

Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel hatte die Festnahme seines Parteifreundes einen "zivilen Putsch" genannt. Die Partei Erdogans wehrt sich gegen den Vorwurf und nannte ihn den "Gipfel politischer Unvernunft". 

Nominierung İmamoğlus weiter geplant

Ungeachtet der Vorwürfe will die CHP an der geplanten Nominierung İmamoğlus als Präsidentschaftskandidat der Partei heute festhalten. Etliche Menschen nehmen an seiner Wahl zum Präsidentschaftskandidaten teil. Der Sender Halk TV zeigte am Sonntagmorgen Bilder von Schlangen vor Wahllokalen in Städten wie Istanbul, Ankara, Izmir, Kahramanmaras und Adiyaman. 

Zur Stimmabgabe aufgerufen sind die 1,7 Millionen CHP-Parteimitglieder. Auch jeder andere Bürger kann an symbolischen Stimmzettelboxen in Solidarität mit İmamoğlu seine Stimme abgeben. İmamoğlu ist der einzige Kandidat. Der CHP-Chef Özgür Özel sagte am Mittag, es nähmen 10- bis 15-mal so viele Menschen wie Mitglieder an der Abstimmung teil.

Demonstrationen in der Türkei – Polizei reagiert hart

Die Polizei riegelte das Gerichtsgebäude mit einem Großaufgebot ab. Dennoch versammelten sich in dessen Nähe im Istanbuler Stadtteil Caglayan mehr als tausend Menschen, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP sahen. Innenminister Ali Yerlikaya erklärte am Sonntag, 323 Personen seien in Gewahrsam genommen worden. "Keinerlei Versuch, die öffentliche Ordnung zu gefährden, wird geduldet", betonte der Minister.

İmamoğlus Festnahme hat die größten Oppositionsproteste in der Türkei seit den sogenannten Gezi-Protesten des Jahres 2013 ausgelöst.

Seit Mittwoch demonstrierten Zehntausende in Istanbul, Ankara und anderen Städten gegen seine Festnahme. Die Polizei setzte Pfefferspray, Tränengas und Wasserwerfer ein, während Demonstranten Polizisten mit Knallkörpern und anderen Gegenständen bewarfen.

Türkische Medienaufsicht droht

Reguläre Präsidentenwahlen in der Türkei sind für 2028 angesetzt. Erdoğan könnte sie jedoch vorziehen, um eine Begrenzung auf zwei Amtszeiten zu umgehen, falls er wieder antreten will. İmamoğlus Festnahme ist der vorläufige Höhepunkt einer monatelangen juristischen Kampagne gegen Oppositionelle, die als Versuch kritisiert wird, deren Wahlchancen zu schmälern und abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück.

Indes drohte die türkische Medienaufsicht RTÜK den Medien im Land im Falle von "unwahrer Berichterstattung" mit Strafen und Lizenzentzug. Berichten zufolge haben einige Sender ihre Live-Berichterstattung von Demonstrationen im Land eingestellt. 

Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP

Im Video: Machtkampf in der Türkei eskaliert

Istanbuls Bürgermeister İmamoğlu, Kontrahent des türkischen Präsidenten Erdogan, ist in U-Haft genommen worden
Bildrechte: picture alliance/dpa | Oliver Berg
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Istanbuls Bürgermeister İmamoğlu, Kontrahent des türkischen Präsidenten Erdogan, ist in U-Haft genommen worden

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