Der Streit darüber, ob bereits genehmigter Urlaub im Falle einer plötzlichen Corona-Quarantäne gutgeschrieben werden muss, wird den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigen. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat am Dienstag die Richter in Luxemburg eingeschaltet (9 AZR 76/22 (A)). Anlass ist der Fall eines Schlossers aus Nordrhein-Westfalen, der acht Urlaubstage eingebüßt hatte.
Dabei ging es darum, ob Urlaubstage bei einer angeordneten häuslichen Quarantäne oder Isolation ohne Krankschreibung verfallen oder ob sie später nachgeholt werden können. Vor ihrem Urteil wollen die höchsten deutschen Arbeitsrichter erst europarechtliche Aspekte klären lassen. Deutsche Arbeitsgerichte, zuletzt das Landesarbeitsgericht Hamm, urteilten in dieser Frage gegensätzlich.
Urlaubstage werden nur bei Krankschreibung gutgeschrieben
Hintergrund ist eine Regelungslücke: Das Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass Urlaubstage nur bei einer ärztlichen Krankschreibung gutgeschrieben werden dürfen. Eine gesetzliche Regelung für Corona-Quarantäne, wie sie derzeit für Rückkehrer aus Virusvariantengebieten vorgeschrieben ist, oder Corona-Isolation gibt es nicht.
Es geht dabei um die Arbeitnehmer, die keine Krankheitssymptome und damit kein ärztliches Attest haben. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts waren im August im Schnitt etwa zehn Prozent der Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, symptomfrei.
Der Fall: Mann wollte Urlaubstage gutgeschrieben haben
Geklagt hat ein Schlosser aus der Region Hamm. Er hatte im Oktober 2020 acht Tage Urlaub. Weil er Kontakt mit einem Covid-19-Infizierten hatte, ordneten die kommunalen Behörden für ihn häusliche Quarantäne an. Der Mann informierte seinen Arbeitgeber darüber und forderte ihn ohne Erfolg auf, ihm die in Quarantäne verbrachten acht Urlaubstage gutzuschreiben. Eine Corona-Infektion hatte er nicht und damit auch keine ärztliche Krankschreibung. Er pochte darauf, seinen Urlaub nachzuholen - schließlich habe die Quarantäne seiner Erholung im Wege gestanden - so wie es bei einer Krankheit auch der Fall gewesen wäre. Für seinen Arbeitgeber kam die Anwendung des Passus im Bundesurlaubsgesetz jedoch nicht infrage.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht wies die Klage des Mannes ab. Das Landesarbeitsgericht Hamm gab ihr statt. In seinem Urteil heißt es: "Die Anordnung einer Quarantäne steht einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraumes diametral gegenüber, unabhängig davon, wie der einzelne Betroffene diese persönlich empfindet." Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt wiederum schaltete nun den Europäischen Gerichtshof für eine Beurteilung ein.
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