Israel hat nach der Vorlage eines neuen Vorschlags für eine Waffenruhe im Gazastreifen seine Offensive in Rafah fortgesetzt. Einwohner der Stadt an der Grenze zu Ägypten berichteten am Samstag über Luftangriffe und Artilleriebeschuss. Ein AFP-Korrespondent berichtete außerdem über Angriffe der israelischen Armee und Artilleriebeschuss in Gaza-Stadt. Während die USA um Unterstützung für den "umfassenden" Vorschlag Israels warben, bekräftigte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu seine Haltung, dass der Krieg erst dann enden könne, wenn die militärischen Fähigkeiten der Hamas zerstört worden seien.
Biden: "Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden"
US-Präsident Joe Biden hatte am Freitag gesagt, Israel habe in den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln ein neues "umfassendes" Abkommen vorgeschlagen. "Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden", sagte Biden bei einer Fernsehansprache. Die Chance auf Frieden dürfe "nicht vertan" werden. "Die Hamas muss diesen Deal annehmen." US-Außenminister Antony Blinken warb in einem Telefonat mit seinen Kollegen aus Saudi-Arabien, Jordanien und der Türkei um Unterstützung für den Vorschlag.
Mehrstufiges Angebot
Biden zufolge umfasst das von Israel vorgelegte mehrstufige Angebot in den ersten sechs Wochen neben einer vollständigen Waffenruhe "den Abzug der israelischen Streitkräfte aus allen bewohnten Gebieten des Gazastreifens sowie die Freilassung einer Reihe von Geiseln, darunter Frauen, ältere Menschen und Verletzte, im Austausch für die Freilassung hunderter palästinensischer Häftlinge" aus israelischen Gefängnissen.
Während dieser sechs Wochen sollen Israel und die Hamas-Vertreter dem Vorschlag zufolge über eine "dauerhafte Einstellung der Kampfhandlungen" verhandeln. Demnach würde die Feuerpause in Kraft bleiben, solange die Gespräche fortgeführt würden. Die zweite Phase des Plans sieht vor, dass sich die israelischen Streitkräfte vollständig aus dem Gazastreifen zurückziehen. Die Hamas soll dann "alle noch lebenden Geiseln" freilassen. Wenn sich beide Seiten an die Vereinbarung halten, werde diese zu einem Ende der Kampfhandlungen führen, führte Biden weiter aus. In einer dritten Phase solle ein Wiederaufbau- und Stabilisierungsplan für den Gazastreifen umgesetzt werden.
Israel besteht auf Zerstörung der militärischen Kapazitäten der Hamas
Netanjahu betonte am Samstag, Israel werde den Krieg so lange fortsetzen, bis es alle seine Ziele erreicht habe. "Israels Bedingungen für die Beendigung des Krieges haben sich nicht geändert". Dazu zählten die Zerstörung der militärischen Kapazitäten der Hamas und ihre Fähigkeit zu regieren sowie die "Freilassung aller Geiseln". Es müsse sichergestellt sein, dass vom Gazastreifen "keine Bedrohung mehr für Israel ausgeht".
Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid forderte Netanjahu auf, den Plan umzusetzen. Die israelische Regierung könne den Vorschlag nicht ignorieren. "Es liegt eine Vereinbarung auf dem Tisch und sie sollte umgesetzt werden", schreibt Lapid auf X. Er bot seine Unterstützung an, sollten die ultra-rechten Koalitionspartner abspringen. Auch Angehörige der israelischen Hamas-Geiseln riefen zur umgehenden Annahme des Vorschlags auf. Die Zeit laufe ab, beide Seiten hätten die Pflicht, die Vereinbarung zu akzeptieren, so die Familien.
Die radikalislamische Hamas bezeichnete den israelischen Vorschlag in einer ersten Reaktion als "positiv". Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einem "Hoffnungsschimmer". Die Hamas müsse nun beweisen, "dass sie den Konflikt beenden" wolle.
Gespräche am Sonntag in Ägypten
Unterdessen sind für Sonntag in Ägypten nach Angaben von Staatsmedien Verhandlungen über die Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah geplant. An dem Treffen sollen Vertreter Israels und der USA teilnehmen, wie die Nachrichtenagentur Al-Kahera berichtete. Demnach vertritt Ägypten weiterhin die Position, den Grenzübergang erst dann wiederzueröffnen, wenn sich das israelische Militär vollständig von dort zurückziehe. Die israelische Armee hatte Anfang Mai die Kontrolle über den Grenzübergang übernommen. Seitdem haben sich die Hilfslieferungen deutlich verringert.
Kämpfer der Hamas und anderer militanter Gruppen hatten am 7. Oktober einen Angriff auf Israel verübt und dabei israelischen Angaben zufolge mehr als 1.189 Menschen getötet. Zudem wurden 252 Menschen als Geiseln verschleppt. 121 Geiseln sind nach israelischen Angaben weiter in der Gewalt der Hamas. 37 von ihnen sollen bereits tot sein. Als Reaktion auf den Großangriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden dabei bislang mehr als 36.300 Menschen getötet.
Mit Informationen von AFP, Reuters, dpa
Im Video: Druck auf Netanjahu wächst
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