Ein M1-Abrams-Panzer der US-Armee, aufgenommen mit montiertem Minenroller, so wie er an die Ukraine geliefert werden sollte (Archivbild).
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Archivbild: Ein M1-Abrams-Panzer der US-Armee, aufgenommen mit montiertem Minenroller, so wie er an die Ukraine geliefert werden sollte.

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Waffen für Israel und Ukraine: Wer damit wie weit gehen darf

Die Ukraine darf ausländische Waffen nicht für den Angriff auf russisches Gebiet nutzen. Israel nutzt solche aber in Gaza. BR24-User fragen, wie das zusammenpasst. Eine Annäherung, welchen Einfluss politische Lesart und Eskalationspotenzial haben.

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Es sind politische Abwägungen der Regierungen, die bei Waffenlieferungen und deren Anwendung in Kriegsgebieten die entscheidende Rolle spielen. Die USA und Deutschland unterstützen die Ukraine und Israel mit Waffen und Munition – allerdings mit Auflagen.

Zu Beginn das Beispiel US-Regierung: Nach anhaltendem innenpolitischem Druck auf US-Präsident Joe Biden, zu kontrollieren, ob die amerikanischen Waffen- und Munitionslieferungen an die israelischen Streitkräfte dem US- und internationalen Recht entsprechen, erließ Biden im Februar dieses Jahres ein neues "Nationale Sicherheitsmemorandum". Das Außenministerium sollte binnen 90 Tagen "glaubwürdige und verlässliche Zusicherungen von ausländischen Regierungen einholen, dass die amerikanischen Verteidigungsgüter nicht gegen amerikanisches und internationales Recht verstoßen". Gemeint war damit vor allem der Einsatz von großkalibrigen US-Bomben, die Israels Luftwaffe seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober im Gazastreifen einsetzt. Auch solle der US-Kongress "darüber Bericht erstatten, inwieweit sich diese Partner an ihre Zusicherungen halten".

US-Kritik an Israel, aber kein Lieferstopp

Der Bericht, den US-Außenminister Anthony Blinken am 10. Mai vorstellte, fiel nicht eindeutig aus. Die israelische Seite hätte "nur wenige Informationen" über Vorfälle preisgegeben, bei denen Zivilisten durch den Einsatz von US-Munition "zu Schaden kamen". Es kämen jedoch aufgrund der Munitionsart für die israelische Luftwaffe "Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch Israel" auf, wie es in dem Bericht an den US-Kongress wörtlich hieß.

Und weiter: Angesichts der "erheblichen Abhängigkeit Israels von in den USA hergestellten Verteidigungsgütern" liege es nahe, anzunehmen, dass Israels Armee amerikanische Verteidigungsgüter in Fällen verwendet habe, "die mit den Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts oder mit den bewährten Praktiken zur Minderung von Schäden an der Zivilbevölkerung unvereinbar sind".

Nach der Veröffentlichung des amerikanischen Regierungsberichts änderte die US-Regierung ihre Waffen- und Munitionslieferung an Israel nicht. Auch der einwöchige Auslieferstopp von 3.500 großkalibrigen Bombenmunitionen, den Biden verhängt hatte, wurde anschließend aufgehoben.

US-Waffenlieferungen an die Ukraine

Gleichzeitig die Lage in der Ukraine: Nur wenige Wochen nach Beginn des russischen Überfalls auf das Nachbarland im Frühjahr 2022 legte US-Präsident Biden eine Grundregel für die Waffenlieferungen an das angegriffene Land fest. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj müsse garantieren, dass amerikanische Waffen und Munition nicht auf russisches Territorium abgefeuert werden. Bidens Begründung: Es müsse "ein Dritter Weltkrieg" vermieden werden.

Dieses Dogma gilt bis heute. Doch es scheint angesichts der russischen Offensive nördlich von Charkiw Anfang Mai ein Umdenken in der US-Regierung zu geben. So kehrte US-Außenminister Blinken Mitte Mai von einem Besuch in Kiew mit der Einsicht zurück: Die russischen Streitkräfte hätten ihre Waffen direkt jenseits der Grenze im Nordosten der Ukraine platziert und auf Charkiw gerichtet. "Wohl wissend", so berichtete anschließend die "New York Times", "dass die Ukrainer nur in der Lage sein würden, nicht-amerikanische Drohnen und andere Waffen einzusetzen, um darauf zu reagieren."

Selenskyj wandte sich in einem Interview mit der "New York Times" dann direkt an die amerikanische Öffentlichkeit: Das Verbot, US-Raketen und andere Waffen auf militärische Ziele in Russland abzufeuern, habe Moskau einen "großen Vorteil" verschafft. Die USA müssten ihr Einverständnis erklären, angesichts der sehr angespannten militärischen Lage der Ukraine. "Wie können wir uns vor diesen Angriffen schützen? Das ist der einzige Weg", gab Selenskyj in dem Interview zu Protokoll.

Debatte in der Community: Bei den einen so, bei den anderen so?

Die BR24-Community diskutiert angesichts der Situation im Ukraine- und im Gaza-Krieg, wie die Haltung der US-Regierung zusammenpasst. So schrieb User "wolf_L": "Wir verbieten der Ukraine russische Stellungen in Russland zu zerstören, aber haben kein Problem damit, dass Israel ein Zeltlager voller Flüchtlinge zerstört ... das ist schizophren!"

Die USA liefern Israel Munitionssorten für die israelische Luftwaffe, die möglicherweise bei den Luftangriffen auf das Flüchtlingszeltlager in Rafah zum Einsatz gekommen sind. Washington unterscheidet dabei die Kriegsschauplätze und Kontrahenten: Israels Armee kämpfe im Gazastreifen gegen die militärischen Verbände der Hamas. Dabei wurde bislang in einem immens großen Umfang US-Munition eingesetzt, mit verheerenden Folgen für die eingesperrte Bevölkerung.

Die Ukraine hingegen verteidigt sich gegen die Atommacht Russland, die in einem beispiellosen Tempo ihre Rüstungsindustrie hochgefahren hat und bis zur Unterwerfung der Ukraine weiter angreifen will. Seit Monaten wird debattiert, ob Russland auch Nato-Gebiet angreifen könnte. Diese unterschiedliche politische Lesart Washingtons dürfte die "Schizophrenie" zumindest in Teilen erklären, die User "wolf_L" beklagt.

Bundesregierung agiert im Windschatten Washingtons

Nun zum Beispiel Deutschland: Die Diskrepanz zwischen der Haltung der Bundesregierung bei Waffenlieferungen an die Ukraine und an Israel ist erheblich. Auch hier sind die Motivlagen sehr unterschiedlich.

Die Bundesregierung unterstützt die israelischen Streitkräfte seit dem 7. Oktober mit Waffen und Munition in einem deutlich größeren Ausmaß als zuvor. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte unmittelbar nach dem Hamas-Massaker im Oktober bei seinem Besuch in Jerusalem klargestellt, dass Deutschland an der Seite Israels stünde. Deutschland rangiert bei der militärischen Unterstützung Israels hinter den USA auf Platz 2.

Es handele sich dabei vorwiegend um "defensiv eingesetzte Waffensysteme", wie deutsche Vertreter vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag argumentierten. Seit Oktober 2023 habe Deutschland vier Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen nach Israel erteilt. Darunter hätten sich unter anderem 3.000 Panzerfäuste befunden.

Deutschland verstoße damit gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, befindet das "European Center for Constitutional and Human Rights" mit Sitz in Berlin. Mitte April hat die von deutschen Juristen gegründete Menschenrechtsorganisation Klage beim Verwaltungsgericht Berlin gegen die Bundesregierung eingereicht.

Das Gericht möge die "Ausfuhrgenehmigungen der deutschen Bundesregierung für Waffenlieferungen nach Israel im Rahmen eines Eilverfahrens aussetzen. Es handelt sich insbesondere um Genehmigungen für Panzerfäuste." In einem Interview mit der "taz" von Anfang Mai begründete Alexander Schwarz, der stellvertretende Programmleiter der Menschenrechtsorganisation, die Klage mit den Worten: "Deutschland ist in Hinblick auf Rüstungsexporte europäische und internationale Verpflichtungen eingegangen, die wir im Falle von Kriegswaffenexporten nach Israel als verletzt ansehen."

Urteil könnte User-Frage klären

Ein Urteil über die Klage könnte einen Teil des Kommentars eines BR24-Users irgendwann gegebenenfalls klären. So formulierte "HadaFrog": "Komische Doppelstandards, schon wieder mal, Israel darf bei der Selbstverteidigung sämtliche Grenzen des Völkerrechts überschreiten, ist Staatsräson. Die Ukraine darf aber die auf sie gerichteten russischen Geschützstellungen nicht angreifen, weil die nur wenige Meter hinter der Grenze auf russisches Territorium postiert sind? Kann mir das mal jemand ideologiebefreit erklären, bitte?"

Zur Einordnung: Als Staatsräson sieht die deutsche Bundesregierung die Sicherheit Israels. Lange hatten sich die Mitglieder mit Kritik an der Kriegsführung Israels zurückgehalten.

Erneut spielt hier die Frage des militärischen Gegners eine entscheidende Rolle, warum Bundeskanzler Scholz die Freigabe der "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine unverändert ablehnt. Ähnlich wie US-Präsident Biden misst Scholz offenkundig der unkalkulierbaren Vergeltungs- und Eskalationsfähigkeit Russlands einen sehr hohen Stellenwert bei. Obgleich in den vergangenen Tagen von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bis hin zum EU-Außenbeauftragten Josep Borrell die Rufe nach einer Änderung der Kanzlerposition lauter werden, beharrt Scholz darauf: Es bleibt bei den Einschränkungen für die Ukraine, westliche Waffen gegen Ziele in Russland einzusetzen.

Im Audio: Soll die Ukraine westliche Waffen auch gegen Ziele in Russland einsetzen dürfen?

Bundeskanzler Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine (Archiv)
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Bundeskanzler Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine (Archiv)

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