Sahra Wagenknecht
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Wagenknecht am Scheideweg: Mitregieren oder Opposition pur?

Wagenknecht am Scheideweg: Mitregieren oder Opposition pur?

Neun Monate nach der Gründung droht dem BSW eine Zerreißprobe. In drei Bundesländern kommt der neuen Partei eine Schlüsselrolle bei der Regierungsbildung zu. In Brandenburg geht es voran, in Thüringen aber tritt Wagenknecht auf die Bremse.

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Anfang September, der Tag nach der Thüringen-Wahl: Blitzlichtgewitter im Gebäude der Bundespressekonferenz – wie so oft, wenn Sahra Wagenknecht die Berliner Bühne betritt. Die Chefin der nach ihr benannten Partei BSW ist nicht für Gefühlsausbrüche bekannt. Doch jetzt wirkt sie aufgekratzt, spricht von einem grandiosen Tag: "Wir sind zu einem Machtfaktor in Deutschland geworden."

Ende Januar gegründet, ist die junge Partei bereits als Mehrheitsbeschafferin gefragt. Nicht nur in Thüringen, sondern auch in Sachsen und Brandenburg. Besondere Bedeutung haben die Gespräche in Erfurt. Schließlich ist es das erklärte Ziel des Thüringer Landesverbands, einen AfD-Ministerpräsidenten zu verhindern. Allerdings stellt Wagenknecht klar, dass eine Zusammenarbeit mit CDU und SPD kein Selbstläufer sein werde: "Wer mit uns koalieren möchte, muss auch mit mir sprechen."

Diskussion über Regierungsbeteiligung: Erste Risse beim BSW

Auch Katja Wolf sitzt an diesem Tag auf dem Podium. Natürlich werde man sich eng mit der Berliner Parteiführung abstimmen, sagt die Thüringer BSW-Chefin. Aber Wolf lässt schon zu diesem Zeitpunkt erkennen, dass sie eine Regierungsbeteiligung in Erfurt anstrebt.

In Brandenburg stehen die Zeichen mittlerweile auf Koalitionsverhandlungen. Dort wurde die SPD stärkste Kraft bei der zurückliegenden Landtagswahl. Und offenbar sind die Sozialdemokraten in Potsdam zu größeren Zugeständnissen ans BSW bereit als die CDU in Erfurt.

Knackpunkt sind Wagenknechts Forderungen in Fragen von Krieg und Frieden. Die BSW-Chefin verlangt, dass sich auch potenzielle Koalitionspartner eindeutig gegen weitere Waffenlieferungen für die angegriffene Ukraine und gegen die geplante Stationierung von US-Raketen in Deutschland aussprechen. Ein Wahlkampfschlager, mit dem das BSW auch bei der kommenden Bundestagswahl punkten will.

Wagenknecht: Friedensthema nicht "wegverhandeln" lassen

Diese Woche könnte sich entscheiden, wie es in Erfurt weitergeht. Wagenknecht macht am Montag im MDR-Interview deutlich, dass man sich das Friedensthema nicht "wegverhandeln lassen" werde. Außerdem weist sie den Vorwurf zurück, sich von Berlin aus zu stark in die Gespräche auf Landesebene einzumischen. Die Verhandlungen seien zunächst einmal Sache der jeweiligen Landesverbände. Aber natürlich stimme man sich ab, so Wagenknecht. "Das machen alle Parteien."

Kritiker haben jedoch den Eindruck, dass die Einflussnahme durch den Bundesverband beim BSW das übliche Maß übersteigt. CDU-Chef Friedrich Merz etwa meint, Wagenknecht habe gar kein Interesse an einer Regierungsbeteiligung in den Ländern: "Sie will verhindern, dass dieses sogenannte Bündnis Sahra Wagenknecht in die politische Verantwortung kommt", sagt Merz am Sonntag im ARD-Interview. Nur so könne das BSW im kommenden Bundestagswahlkampf einen reinen Oppositionskurs fahren.

Wagenknecht hat Bundestagswahl im Blick

Tatsächlich ginge eine Regierungsbeteiligung auf Landesebene mit Risiken für die Wagenknecht-Partei einher. Wer mitregiert, muss Kompromisse machen und kann für Fehler haftbar gemacht werden. Der Nimbus des Neuen könnte schnell dahin sein. Für Wagenknecht aber hat das Abschneiden bei der Bundestagswahl oberste Priorität.

Die Thüringer BSW-Chefin Wolf scheint jedoch entschlossen zu sein, das Wagnis einer Regierungsbeteiligung aufzunehmen. Für die frühere Eisenacher Oberbürgermeisterin hängt viel vom Ausgang der laufenden Gespräche ab. Denn die Ex-Linke hat ihren Übertritt damit begründet, dass sich mit dem BSW die AfD am ehesten von der Macht in Erfurt fernhalten lasse. Und so ist fraglich, wie sie reagieren würde, wenn sich Wagenknecht endgültig gegen eine Koalition mit der Thüringer CDU stellen sollte.

Gründung eines bayerischen BSW-Landesverbands geplant

In Bayern bleiben dem BSW solche Richtungsentscheidungen bisher erspart. Zwar hat die Partei bei der Europawahl aus dem Stand 3,8 Prozent der Stimmen im Freistaat bekommen. Doch von einer Rolle wie im Nachbarland Thüringen ist man weit entfernt. Zumal es noch keinen bayerischen BSW-Landesverband gibt. Der soll in knapp drei Wochen in Ingolstadt gegründet werden.

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