Die Wehrbeauftragte Eva Högl im BR24-Interview.
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Jahresbericht: Wehrbeauftragte sieht Licht und Schatten

Marode Stuben, verschimmelte Duschen, gesperrte Truppenküchen: Im aktuellen Jahresbericht legt Eva Högl den Finger in die Wunde. Doch die Wehrbeauftragte meldet auch erste Erfolge.

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Eva Högl ist Kummer gewohnt. Als Wehrbeauftragte des Bundestags gehört es zu ihren Aufgaben, ein offenes Ohr für die Soldatinnen und Soldaten zu haben. So hat die SPD-Politikerin vergangenes Jahr beim Besuch eines Feldjägerregiments in München davon erfahren, dass dort einige Bundeswehrkräfte im Schichtdienst zeitweise auf dem Dachboden schlafen müssen. Betroffen seien Soldatinnen und Soldaten, die einen relativ langen Weg zur Arbeit haben und deshalb bei Rufbereitschaft nicht zu Hause bleiben können. Mangels anderer Unterkunftsmöglichkeiten bleibt ihnen dem aktuellen Wehrbericht zufolge nur ein Schlafsack unter dem Dach.

Sicher nur ein Mosaikstein, aber einer von vielen. Insgesamt zeichnet Högl das Bild einer Bundeswehr, die "noch immer von allem zu wenig" habe: zu wenig Material und zu wenig Personal. Ende vergangenen Jahres kam die Truppe auf knapp 182.000 Soldatinnen und Soldaten - bei abnehmender Tendenz. Auch andere Kennzahlen treiben der Wehrbeauftragten Sorgenfalten auf die Stirn: Es habe weniger Bewerbungen als im Vorjahr gegeben - und mehr unbesetzte Dienstposten. Außerdem sei die Abbrecherquote nach wie vor sehr hoch. "Die Bundeswehr altert und schrumpft", stellt Högl fest.

Geringer Frauenanteil bei Bundeswehr

Großes Potenzial sieht sie bei Frauen. Deren Zahl sei zwar in den Reihen der Bundeswehr leicht gestiegen - auf rund 24.000. Das entspricht aber lediglich einem Anteil von 13 Prozent. Gerade in Führungspositionen seien Frauen unterrepräsentiert, beklagt Högl. Sie fordert bessere Arbeitsbedingungen, damit Soldatinnen Beruf und Familie leichter vereinbaren können, sprich: familienfreundliche Arbeitszeitmodelle und mehr Kinderbetreuung.

Ein weiterer Hebel, an dem die Wehrbeauftragte ansetzen will, sind Bewerbungsverfahren. Aus ihrer Sicht braucht es hier deutlich mehr Tempo. "Das dauert ganz oft viel zu lange, bis die jungen Leute eine Antwort bekommen." Die Bundeswehr sei eben nur ein möglicher Arbeitgeber unter vielen anderen. Außerdem höre Högl von jungen Menschen oft, dass sie gerne in der Nähe ihres Heimatorts arbeiten würden. "Sie wollen nicht aus den Alpen an Nord- oder Ostsee geschickt werden." Darauf müsse die Bundeswehr Rücksicht nehmen.

Mangel an Großgerät

Auch im Hinblick aufs Material ist die Truppe nach Ansicht von Högl noch nicht vollständig einsatzbereit. Es fehlten Munition und Ersatzteile, aber auch Großgerät wie Panzer und Flugabwehrsysteme. Ein Beispiel: Nach wie vor ist die Truppe laut Wehrbericht nicht ausreichend mit modernen Funkgeräten ausgestattet, was die Kommunikation mit Nato-Partnern erschwert. Auch in Litauen, wo Deutschland einen multinationalen Gefechtsverband führt.

Im Bundestag kritisiert die größte Oppositionsfraktion, die Modernisierung der Bundeswehr komme viel zu langsam voran. In den Augen des CSU-Abgeordneten Florian Hahn zeigt der Bericht, "dass wir einfach nicht ausreichend einsatzfähig sind". Die Bundeswehr sei noch nicht dort, wo sie angesichts der Bedrohungslage sein müsste, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im BR24-Gespräch.

Beschaffungsvorlagen für Bundeswehr auf Rekordniveau

Allerdings betont die Wehrbeauftragte in ihrem Bericht auch, dass vergangenes Jahr "wichtige Weichen der Zeitenwende" gestellt worden seien. Als Beispiel nennt sie die Zahl der Beschaffungsvorlagen für Großgerät, die der Haushaltsausschuss gebilligt hat. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums waren es 55 Vorlagen - ein Rekordwert. Das Gesamtvolumen beläuft sich demnach auf fast 47 Milliarden Euro. Geld, das zum Beispiel für neue Transporthubschrauber, Luftverteidigung und moderne Schützenpanzer ausgegeben wird.

Noch etwas ist Högl wichtig: Die versprochene persönliche Ausrüstung komme bei der Truppe an - etwa neue Helme, Schutzwesten und Rucksäcke. Das sei keine Kleinigkeit, sondern ein Zeichen für "Wertschätzung und Anerkennung". So umfassend sei die neue Ausrüstung, dass mancherorts die Spinde dafür nicht ausreichten. Ein Mangel, über den sich die Wehrbeauftragte freuen kann - für Högl dürfte das eine neue Erfahrung sein.

Noch immer gibt es Probleme beim Personal, beim Material und vor allem bei der Infrastruktur. So steht es im aktuellen Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl. Er ist 171 Seiten dick und zeigt, dass trotz 100 Milliarden Euro Sondervermögen Baustellen bleiben.
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Noch immer gibt es Probleme bei Personal, Material und vor allem Infrastruktur. So steht es im aktuellen Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl.

Im Video: Besuch bei der Bundeswehr im Baltikum - Das Leben im Feldlager

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