Der ehemalige Bauminister und Nürnberger Ehrenbürger Oscar Schneider (CSU) ist tot. Der gebürtige Mittelfranke ist am Sonntag, 29. Dezember 2024, im Alter von 97 Jahren verstorben.
Ein Mann konservativer Werte, humanistisch umfassend gebildet und in Fragen der Geschichte ein wandelndes Lexikon. So haben viele Weggefährten den CSU-Politiker und Nürnberger Ehrenbürger erlebt. Parteifreunde bezeichneten ihn respektvoll, auch als "intellektuelle Instanz".
Bundesbauminister von 1982 bis 1989
Von 1982 bis 1989 ist Oscar Schneider Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Da sitzen Bundesregierung und Bundestag noch in Bonn. Und Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) macht mit Schneider einen Mann zum Bauminister, der ausdrücklich auch Kulturpolitik betreiben will, trotz der Kulturhoheit der Bundesländer. Der studierte Jurist setzt schließlich mit Rückendeckung des Kanzlers durch, für "kulturstaatliche Politik des Bundes" zuständig zu sein. Was er darunter versteht, macht Schneider durch sein Wirken deutlich.
Mit 17 Jahren als Soldat einberufen
Geboren 1927 in Altenheideck im Landkreis Roth, hat Schneider seine Kindheit und Jugend in der NS-Zeit miterlebt. Als 17-Jähriger wird er 1944 zum Arbeitsdienst und dann zur Luftwaffe eingezogen. Im selben Jahr wurde Schneider unter bis heute nicht abschließend geklärten Umständen von der NSDAP als Mitglied geführt. Nach dem Krieg beteuerte Schneider, er sei nicht durch eigenes Zutun Mitglied geworden und habe sich das Gedankengut der Nationalsozialisten nie zu eigen gemacht.
Umgang mit Verbrechen der NS-Diktatur wird sein Thema
Dem Bundestagsabgeordneten Schneider ist ein verantwortungsvoller Umgang mit der deutschen Geschichte wichtig. Er möchte, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik auch an Bauwerken sichtbar wird. So geht er bald nach Amtsantritt als Bauminister Planungen an, das im Krieg beschädigte Reichstagsgebäude in West-Berlin umzugestalten. Nach Schneiders Vorstellung soll der Reichstag eine begehbare Kuppel bekommen, mit Blick über die Berliner Mauer – auch, damit der Reichstag eines Tages groß genug ist für ein gesamtdeutsches Parlament.
Knappes Votum für Kuppel auf Reichstagsgebäude
Der Umbau des Reichstags ist umstritten. Kurz vor der Abstimmung 1993 hält Schneider ein letztes großes Plädoyer für den Bau einer gläsernen und begehbaren Kuppel. Der Franke ist da zwar längst kein Minister mehr, aber Beauftragter des Bundeskanzlers für die kulturellen Bauvorhaben in Bonn und Berlin. Und Schneiders Rede zeigt Wirkung: Mit nur einer Stimme Mehrheit beschließt der Bundestag den Bau der Kuppel.
Konzept für "Haus der Geschichte" in Bonn
Auch anderen Bauwerken drückt Oscar Schneider seinen Stempel auf. Er entwickelt das Konzept für das Deutsche Historische Museum in Berlin – zuvor schon das für das "Haus der Geschichte" in Bonn und auch für die dortige Bundeskunsthalle. Vor allem in der CSU, bei Museumsfachleuten und unter Geschichtswissenschaftlern findet Schneider dafür große Anerkennung.
Opposition: Sozialen Wohnungsbau vernachlässigt
Doch Oscar Schneider hat auch Kritiker. Die Opposition wirft ihm 1989 vor, er habe den sozialen Wohnungsbau massiv vernachlässigt. Der damalige wohnungsbaupolitische Sprecher der SPD, Franz Müntefering, kritisiert, viele Menschen warteten schon seit Jahren auf bezahlbare Wohnungen. "Hinzu kommen nun die deutschen Aussiedler und Übersiedler, die jetzt in die Bundesrepublik kommen dürfen und die täglich in großen Gruppen in den Rathäusern stehen und Hilfe erbitten." Vorwürfe wie diese weist Schneider jedoch zurück.
Schneider bleibt noch bis 1994 Abgeordneter im Bundestag. Anschließend widmet er sich seinem politischen Lebensthema: der gesellschaftlichen Aufarbeitung der Nazizeit.
Geburtshelfer für NS-Doku-Zentrum Reichsparteitagsgelände
In Nürnberg setzt sich Schneider für das seit Jahren geplante "Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände" ein. Es gelingt ihm, dem Projekt neuen Schub zu verleihen. 2001 wird das von Stadt, Land und Bund finanzierte Doku-Zentrum schließlich eröffnet. Besucherinnen und Besucher werden darin über den Zweck, die Geschehnisse und die Wirkung des Reichsparteitagsgeländes aufgeklärt. Dabei wird klar deutlich gemacht, worin die Verbrechen und Vergehen der Nationalsozialisten liegen.
Konzeptidee für "Memorium Nürnberger Prozesse"
Zu Schneiders letzten großen Projekten zählt die Errichtung des "Memoriums Nürnberger Prozesse" im Jahr 2010. Es entsteht an dem Ort, an dem die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg die Kriegsverbrecherprozesse abhielten: im Saal 600 des Nürnberger Justizpalastes. Nach Schneiders Konzeptidee wird der Gebäudeteil zu einem Lernort für die Bevölkerung gestaltet und zugleich zum Sitz der "Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien" gemacht. Regelmäßig tagen dort renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt.
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