Beispiele für eine besondere Russlandnähe gibt es in der AfD viele. Wie stark die Partei mit dem Land verflochten ist - diese Frage rücken die Korruptionsvorwürfe gegen den bayerischen Bundestagsabgeordneten Petr Bystron in den Fokus. Die tschechische Zeitung "Denik N" berichtete mit Verweis auf Geheimdienstkreise, dass Bystron in Kontakt mit dem prorussischen Netzwerk "Voice of Europe" stehe und Geld angenommen haben könnte. Er bestreitet die Vorwürfe. Die Generalstaatsanwaltschaft München prüft, ob sie Ermittlungen aufnimmt.
Klar ist hingegen, dass Bystron prorussische Positionen vertritt. In Bundestagsreden sagte der AfD-Politiker zum Beispiel, dass die Nato sich verschoben habe an die Grenze zu Russland. "Was ist der Preis dafür? Junge Männer sterben", sagte Bystron und gab damit der Nato die Schuld am russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Eine Erzählung, die auch der Kreml verbreitet. Bystron, der außenpolitischer Sprecher der AfD ist, macht aus seiner Nähe zu Russland keinen Hehl. Schon 2021 beschrieb er in einem Interview, dass die russische Regierung über die AfD einen alternativen Kommunikationskanal in die Bundesrepublik gefunden habe.
Mit dieser Nähe zu Russland ist Bystron nicht allein. Seine Fraktionskollegen Steffen Kotré und Eugen Schmidt traten bei russischen Sendern auf. Schmidt behauptete zum Beispiel 2022 in einem Interview mit einem russischen Radiosender, es gebe in Deutschland keine Demokratie. Außerdem sollen AfD-Politiker einen Verein unterstützen, der russische Propaganda betreibt.
Bayerische Abgeordnete als Wahlbeobachter in Russland
Im März dieses Jahres reisten Mandatsträger der AfD nach Russland, um als Wahlbeobachter die Präsidentschaftswahl zu begleiten, darunter bayerische Landtagsabgeordnete. Internationale Beobachter der OSZE waren nicht zugelassen. Nach der Abstimmung berichteten die AfD-Politiker, dass die Wahlen "offen, demokratisch und frei waren". Aus Sicht des bayerischen Landtagsabgeordneten Andreas Jurca gab es sogar zu viel Transparenz. "Das wäre jetzt in Deutschland unüblich", sagte Jurca dem russischen Propagandasender Russia Today. Experten bewerteten die russischen Wahlen hingegen als Scheinwahlen, die demokratischen Standards nicht genügen.
Die AfD-Spitze hatte die Abgeordneten zuvor aufgefordert, nicht nach Russland zu reisen. Mehrere Mitglieder der bayerischen Landtagsfraktion sagten dem BR damals, dass sie die Reise für taktisch unklug hielten.
Eine Doppelstrategie, die auch der Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder beschreibt. Die AfD sei bemüht, Fälle mit einer zu großen Nähe zu Russland als Einzelfall darzustellen. "Das ist ein Muster der AfD, dass sie diese Einzelfälle dann durchaus auch versucht zu sanktionieren", sagt Schröder, der an der Universität Kassel zur AfD forscht und in der Grundwertekommission der SPD ist. Gleichzeitig wolle die AfD klarmachen, dass sie die Interessen Russlands im Blick habe, weil das aus Sicht der Partei den Interessen Deutschlands diene.
Chrupalla: gute Beziehungen zu Russland wichtig
So bekräftigte AfD-Chef Tino Chrupalla im ARD-Interview, es sei wichtig, zu Russland gute Beziehungen zu haben, auch wirtschaftliche. "Sie haben uns immer gerade wirtschaftlich geholfen, dem Mittelstand, der Industrie." Leitschnur der AfD seien die Interessen der deutschen Bürger. Chrupalla selbst traf sich 2020 in Moskau mit dem russischen Außenminister. 2022 nach dem Angriff auf die Ukraine und den Massakern im Kiewer Vorort Butscha sagte er im ZDF, dass Putin "kein Kriegsverbrecher" sei. Im vergangenen Jahr nahm er zusammen mit anderen AfD-Politikern an einem Empfang in der russischen Botschaft teil, zum Jahrestag des Siegs über Deutschland im Zweiten Weltkrieg.
Russland und AfD mit ähnlichem Gesellschaftsbild
Insgesamt bewertet der Politikwissenschaftler Schröder im Interview mit der ARD eine Mehrheit der AfD als russlandfreundlich. In Russland sehe die Partei das Gesellschaftsbild, das sie auch selbst verfolge. "National, traditionsverbunden, klar die Minderheiten in Schranken weisend und eine autoritäre staatliche Politik verkörpernd." Insofern müsse kein Geld fließen, damit die AfD diese Politik in Deutschland vertrete. Gleichzeitig sei Politik auch von Geld abhängig, ergänzt der Politikwissenschaftler. Um Wahlkämpfe zu führen und Öffentlichkeitsarbeit zu machen, zum Beispiel. "Insofern sollte man nie die Option außer Acht lassen, dass auch russische Gelder in AfD Kassen fließen könnten." Belege gibt es dafür bisher allerdings nicht.
Dass Russland auf vielfältige Art versucht, Einfluss zu nehmen, zeigt zum Beispiel ein Strategiepapier, das laut Recherchen des Spiegels, des ZDF und der BBC von 2019 in der russischen Verwaltung kursierte [externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt]. Darin werden Aktivitäten skizziert, wie die EU destabilisiert und russische Positionen verbreitet werden sollten. Unterstützt werden sollte zum Beispiel der Wahlkampf des AfD-Politikers Markus Frohnmaier, damit der später im Bundestag russische Interessen vertrete. Frohnmaier sagte damals dem Spiegel, er haben nie um finanzielle oder mediale Unterstützung aus russischen Kreisen gebeten.
Russland versucht Einfluss zu nehmen
Der Kreml versuche über Parteien wie die AfD die Stimmung in der EU anzuheizen und die Länder zu spalten, sagt Boris Ginzburg, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin mit Schwerpunkt Osteuropa im Interview mit BR24. "Der Kreml sieht in der AfD in gewisser Hinsicht politisch eine Art Bruder oder Zwilling, der sich ebenfalls für die alten europäischen, konservativen Werte einsetzt und sie verbreitet." Das sei zumindest das Narrativ des Kremls. "Das heißt: natürliche Verbündete", ergänzt Ginzburg. Dazu passe, dass Petr Bystron – ebenso wie der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl Krah - dem prorussischen Netzwerk Voice of Europe Interviews gegeben habe.
Im Audio: Chrupalla nennt Vorwürfe gegen Bystron "Medienkampagne" (07.04.24)
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