Karlsruhe: Außenaufnahme des Bundesverfassungsgerichts.
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Wie der Rechtsstaat vor Rechtsextremen geschützt werden kann

Wie der Rechtsstaat vor Rechtsextremen geschützt werden kann

Der Rechtsstaat muss wetterfest gemacht werden, damit extreme Parteien ihn in Zukunft nicht aushebeln. Das sagen Ex-Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und der Richter Peter Noll im BR-Interview. Beide plädieren für Gesetzesänderungen.

Über dieses Thema berichtet: Dossier Politik am .

Wie leicht die Justiz von rechtsradikalen Regierungen untergraben werden kann, hat sich selbst in EU-Ländern erwiesen, wie Ungarn oder Polen zeigen. Vor dem Hintergrund hoher Umfragewerte für die AfD und den anstehenden Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern, fordert die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, das Grundgesetz zu ändern, um den deutschen Rechtsstaat und insbesondere das Bundesverfassungsgericht zu schützen.

So sollte etwa die Amtszeit der Richter auf zwölf Jahre festgelegt werden – ohne die Möglichkeit einer späteren Wiederwahl: "Das stärkt auch die Unabhängigkeit der Verfassungsrichterinnen und -richter", ist sich die FDP-Politikerin im BR-Interview sicher. Denn dann müssten sie sich keine Gedanken mehr um eine Wiederwahl machen.

Änderungen am Grundgesetz notwendig

Auch andere kleinere Stellschrauben sollten angepasst werden, damit das höchste deutsche Gericht nicht mithilfe von Verfahrenstricks lahmgelegt werden kann. So könnten etwa die Anzahl der Senate und die Zuständigkeiten im Bundesverfassungsgericht gesetzlich festgeschrieben werden.

Tatsächlich plant die Ampelregierung entsprechende Änderungen im Grundgesetz, das geht aber nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, also nur zusammen mit CDU und CSU. Gespräche darüber ließ die Union jüngst scheitern, inzwischen scheint es jedoch hinter den Kulissen wieder Annäherungen zu geben.

Weisungsbefugnis des Ministeriums abschaffen

Auch Peter Noll befürwortet eine Grundgesetzänderung, um die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu sichern. Noll arbeitet als Vorsitzender Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht und ist darüber hinaus im Interessenverband "Neue Richtervereinigung" aktiv, der sich für eine demokratische und transparente Justiz einsetzt. Er leitete zahlreiche aufsehenerregende Wirtschaftsprozesse, etwa gegen die Deutschen Bank-Manager Jürgen Fitschen, Josef Ackermann und Rolf Breuer und gegen den früheren Formel-1-Boss Bernie Ecclestone.

Neben besserem Schutz für das oberste deutsche Gericht fordert Noll weitere Gesetzesänderungen, damit die Justiz auch dann noch den Rechtsstaat gewährleisten kann, wenn extrem rechte Kräfte immer stärker werden und vielleicht sogar an die Regierung kommen. So sollte etwa die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften gegenüber den jeweiligen Justizministerien abgeschafft werden. Denn im Gegensatz zu Richtern sind Staatsanwaltschaften eben nicht unabhängig, sondern müssen sich an Vorgaben aus dem Ministerium halten.

"Ich behaupte nicht, dass diese Weisungsbefugnis aktuell missbraucht wird", betont Noll. "Ich selbst bin weder als Staatsanwalt noch als Richter jemals in die Situation gekommen, dass irgendjemand versucht hätte, meine Rechtsmeinung zu beeinflussen." Aber das liege wohl vor allem am Wohlwollen der Ministerien. "Das ist letztlich so eine Art Tradition: Das macht man nicht als Justizminister. Aber was passiert, wenn da jemand sitzt, der sich an diese Tradition nicht hält?" Dann könnte zum Beispiel ein extrem rechter Minister Ermittlungen gegen Parteifreunde oder Gesinnungsgenossen stoppen oder Verfahren gegen politische Gegner forcieren.

Skepsis gegenüber AfD-Verbotsverfahren

Auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger befürwortet es ausdrücklich, die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften abzuschaffen. Mit dieser Meinung sei sie unter den deutschen Justizministerinnen und -ministern aber stets in der Minderheit gewesen.

Kritisch sieht die einstige Bundesjustizministerin dagegen ein Verbotsverfahren gegen die AfD, wie es aktuell nicht nur von einigen demokratischen Politikerinnen und Politikern gefordert wird, sondern auch auf den zahlreichen bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.

"Ich bin sehr skeptisch bei Parteienverbotsverfahren. Denn allein ein verfassungsfeindliches Parteiprogramm zu haben, reicht dafür nicht aus, da müssen noch viele andere Elemente dazukommen", so Leutheusser-Schnarrenberger. "Und das Allerschlimmste wäre doch ein Verfahren, das dann nicht zum Erfolg, also zum Verbot führt. Ich glaube, der Schaden, wäre dann unvorstellbar groß."

"Demokratie braucht Demokraten"

Viel wichtiger sei ohnehin die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen Organisationen und Einstellungen. Die Justiz sei kein Allheilmittel im Kampf gegen Rechtsextremismus und ohnehin stets nur ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Das sieht auch Peter Noll so. Man könne zwar bestimmte rechtliche Vorkehrungen treffen, um eine Einflussnahme der extremen Rechte auf die Justiz einzuschränken. "Aber am Ende braucht die Demokratie Demokraten", betont der Vorsitzende Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht. "Entscheidend ist, dass wir als Demokraten auch bei allen Differenzen, die wir haben, zusammenhalten und den Wert unserer Freiheit hochhalten."

Das ganze Gespräch mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Peter Noll in der Sendung "Dossier Politik" können Sie nachhören - hier in der ARD-Audiothek.

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