Gerade ebbt das Gezwitscher draußen etwas ab: Die Brautschau des Frühjahres ist gelaufen, die Nester werden gebaut, bald wird der Nachwuchs großgezogen: Vögel umgeben uns. Weltweit gibt es rund 10.000 Vogelarten - aber sie werden weniger. Das Mysterium, das sie umgibt, aber bleibt und beschäftigt Laien wie Wissenschaftler oder Birdwatcher, die immer mehr werden, je bedrohter die Arten sind. Was bedeuten Vögel für uns? Wie navigieren sie? Wie überleben sie? Das sind Fragen, die auch Künstler und Künstlerinnen faszinieren. In der Eres Stiftung in München, einer Institution, die Kunst und Wissenschaft im Blick hat, ist jetzt The Birdshow zu sehen: Vögel zwischen Freiheit, Krieg und Quantenmechanik. Barbara Knopf.
Freiheit und Geschwätzigkeit: Vögel als Metaphern
Da sitzen sie, die schlauen Papageien, auf der Stange, türkis-gelb-bunt und vorlaut, begrüßen einen, beäugen einen, flattern ein wenig mit den Flügeln, und los geht das Geplapper. Echt sind die Vögel in der Eres-Stiftung allerdings nicht, sondern Kinderspielzeit. Plüschpapageien, ausgestattet mit einer KI, die es ihnen möglich, zu lernen. Eines der Plüschwesen, einen Aras, hatte sie sogar im Büro, erklärt Kuratorin Abine Adler. "Wir haben ihm relativ schnell beigebracht, 'Was ist los?' zu sagen. Und das sagt er jetzt immer noch."
Es ist ein spielerischer Auftakt zur "Bird Show", in der es um Vögel geht, aber vor allem um Ideen, die nun in den Nischen der Eres-Stiftung wie in einer Kunst-Volière durch die Luft schwirren. Vögel als Metaphern-Träger: für Unabhängigkeit und Freiheit zum Beispiel. "Liberty", sagen die grell leuchtenden Buchstaben einer kniehohen Installation und jeder einzelne Buchstabe ist geschützt durch fiese Nägel, Spikes, mit denen Gebäude vor Vogelanflug geschützt werden. Die Skulptur stammt von Sejla Kameric, die die Belagerung von Sarajewo im Bosnienkrieg erlebt hat.
Der Schutz der Freiheit gilt aber nicht den Vögeln selbst. In einem Raum sieht man ihre schwarzen Körper, jenen nachempfunden, die zu Opfern von Ölkatastrophen wurden. In einem anderen Raum hängt ein Mobile mit ausgestopften Staren: Diese Vögel, die in strudelnden Formationen fliegen, mussten zu Zehntausenden sterben - bezeichnenderweise weil sie den menschlichen Flugverkehr über dem Flughafen Fiumicino in Rom beeinträchtigten. Diese Navigationskünstler nun ausgestopft und in stiller Schönheit gefangen in einem Mobile zu sehen, ist herzzerreißend. Immerhin gibt es auch eine federleichte Huldigung der stillen Heldinnen der britischen Kriegsgeschichte. Brieftauben als Überbringerinnen lebensrettender Depeschen waren in Großbritannien namentlich bekannt.
Die "Bird Show" schlägt Brücken zwischen Mensch und Tier
Mythos, Mysterium, Migration, Vertreibung, Fragilität, Schönheit, Poesie - all dies wird in vielfältigen, sorgfältig ausgewählten künstlerischen Positionen erzählt. In einem Video der israelischen Künstlerin Nira Pereg duckt sich eine Kolonie rosaroter Zoo-Flamingos bei jeder Geräuschsalve weg. Ein Ballett hoch- und runterzuckender Hälse, so erschreckend wie komisch. Was passiert da? Nichts. Jedenfalls keine Panik unter den Vögeln. Es ist ein Trick. Bild- und Tonspur wurden nicht zusammen aufgenommen, nur übereinandergelegt. Wenn man möchte, kann man in dem getürkten Vogelversuch durchaus menschliche Verhaltensmuster lesen, von Konditionierung und Verweigerung. Sehr aufschlussreich.
Wie viel artenübergreifende Nähe ist möglich? Es mag ein wenig komisch sein, wenn Menschen Vögeln Lieder beibringen wollen wie in Carsten Höllers Video. Aber der junge Dompfaff bringt viel Geduld mit. Man könnte auch sagen: neugierige Zärtlichkeit.
Die Ausstellung "The Bird Show" in der Eres-Stiftung ist bis 27. Juli in der Römerstraße in München zu sehen. Sie wird begleitet von wissenschaftlichen Gastvorträgen.
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