Der Preis der Leipziger Buchmesse feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Zwanzig Jahre, in denen er sich fest etabliert hat als einer der wichtigsten Preise im deutschsprachigen Literaturbetrieb. Insgesamt 15 Bücher sind in den drei Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung für den mit 60.000 Euro dotierten Preis nominiert.
Die Nominierten in der Kategorie Belletristik
Zu den fünf Nominierten in der Kategorie Belletristik gehört Anke Feuchtenberger mit ihrem Comic "Genossin Kuckuck", in dem sie von einer Kindheit und Jugend im deutschen Osten erzählt. Die siebenköpfige Jury begründet die Auswahl unter anderem damit, dass Feuchtenberger "immer wieder fantastische Tiefenräume, auch ins kollektive Unbewusste" öffne. "Im Zusammenspiel mit den poetischen Zwischentexten entwerfen sie eine eigene Mythologie, in der Mädchen, Tiere und Pilze die Realität des real existierenden Sozialismus transzendieren." Es sei ein "Novum in der deutschsprachigen Literatur", dass ein Comic "dem autofiktionalen Genre eine derartige Ästhetik abgewinnt".
Ebenfalls nominiert ist Wolf Haas mit seinem Roman "Eigentum" über einen Mann und seine sterbende Mutter. Haas erzähle ihr Leben, so die Jury in ihrer Begründung, "als erbitterte Aufstiegsmühsal und lässt sie dabei in ihrer eigenen Diktion zu Wort kommen. Daraus ergibt sich eine hintersinnige Poetikvorlesung und ein subtil gesellschaftskritisches, tolldreistes Abschiedsbuch."
Inga Machel ist mit "Auf den Gleisen" nominiert, worin sie davon erzählt, wie ein Sohn seinen Vater verliert - und auch sich selbst. "Gefühlszustände zeigt Machel, ohne sie zu benennen, gesellschaftliche Rollen bringt sie in die Schwebe", so die Jury. "Die raue Sprache kontrastiert mit fast pathetischen Tonregistern." Gleichzeitig lasse sich "dieser fragmentarisch und mehrspurig erzählte Roman als abstraktes Kunstwerk lesen, das Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit reflektiert."
Mit der Geschichten-Sammlung "Minihorror" ist Barbi Marković nominiert, die alle vom städtischen Alltag der Figuren Mini und Miki handeln. "Barbi Marković erzählt stilsicher und mit bewussten Stilbrüchen einen Comic in Prosa", so die Jury. "Der Horror der 26 Geschichten um das Paar Mini und Miki lauert im Alltag. Es sind Missgeschicke, Beleidigungen, Verwandtschaftsfehden, Möbelkäufe und Ungeziefer – komisch, vertraut und unheimlich, wobei "der vergessene Krieg der 90er-Jahre mitten in Europa und seine Folgen" den "dunklen Untergrund" bilde.
Dana Vowinckel ist mit "Gewässer im Ziplock" nominiert, einer jüdischen Familiengeschichte zwischen Chicago, Berlin und Jerusalem. Dana Vowinckel erzähle "von Lust und Strapazen der Pubertät, vom Alltag und den Konflikten eines religiösen alleinerziehenden Vaters sowie einer liberalen Intellektuellen, deren Muttersein nicht in gewöhnliche Bilder passt", begründet die Jury ihre Auswahl. "Emotional und zugleich klar erzählt, gewinnt der Roman seine Spannung durch die Konsequenz der Erzählperspektiven und lässt die Verschiedenheit von Weltsichten auch im intimsten Kreis zu."
Die Nominierten der Kategorie Sachbuch/Essayistik
In der Kategorie Sachbuch/Essayistik ist Jens Beckert nominiert mit "Verkaufte Zukunft. Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht", in der er als Soziologe und nicht als Naturwissenschaftler auf den menschgemachten Klimawandel und unseren Umgang damit schaut. "Überzeugend entwirrt dieses Buch auch wirtschaftliche und politische Zusammenhänge und erklärt, weshalb allen Erkenntnissen zum Trotz der Katastrophe bislang nicht erfolgreich begegnet wurde", so die Jury.
Christina Clemm geht mit "Gegen Frauenhass" ins Rennen. Die Fachanwältin für Straf- und Familienrecht untersucht darin Gewaltdelikte gegen Frauen und ihre juristische Verfolgung. Ihr Buch, so die Jury, sei ein "im Wortsinn aufregender Bericht aus der juristischen Praxis, ein aufrüttelndes Plädoyer gegen die Bagatellisierung von sexualisierter Gewalt und eine dialektische Verteidigung des Rechtsstaates."
Im Gespräch: Christina Clemm über "Gegen Frauenhass"
Mit "'ca. 1972' Gewalt – Umwelt – Identität – Methode" ist Tom Holert nominiert, der die politischen Kämpfe von "ca. 1972", deren Scheitern das vermeintliche "Ende der Geschichte" einleitete, neu betrachtet. "Entlang von visueller Kunst", so die Jury, "eröffnet er den weit verzweigten Zeit-Raum ökologischer und emanzipatorischer Bewegungen, lässt ihre inneren Debatten sprechen, zeigt ihre gewaltförmigen Verirrungen und lässt uns aus den Diskursen und Kipppunkten der Kämpfe von damals für heute lernen."
Christina Morina ist mit "Tausend Aufbrüche. Die Deutschen und ihre Demokratie seit den 1980er-Jahren" nominiert, einer Untersuchung von Bürgerbitten und Beschwerden in der DDR und der BRD, die, so die Jury, "einen neuen Blick auf das Demokratieverständnis in Ost- und Westdeutschland, auf politische Vielstimmigkeit, Wünsche, enttäuschte Hoffnungen und Ressentiments" werfe. Morina lege "einen demokratiehistorischen Erinnerungsschatz frei, der eine neue Perspektive in eine heute verhärtete Debatte bringt."
Ebenfalls nominiert ist ein Hörbuch: "Jahrhundertstimmen 1945-2000", herausgegeben von Christiane Collorio, Ines Geipel, Ulrich Herbert, Michael Krüger und Hans Sarkowicz macht es die deutschdeutsche Geschichte auf vier CDs in Originaltönen erfahrbar. Dass "klug arrangiert und kommentiert" werde, schreibt die Jury. Das Hörbuch füge "unserem historischen Bewusstsein eine neue Dimension hinzu: die auditive. In Zeiten von gefakten Fakten trägt das zur notwendigen Bestandsaufnahme dessen bei, was war."
Die Nominierten in der Kategorie Übersetzung
In der Kategorie Übersetzung gehen ins Rennen um den Preis: Ki-Hyang Lees Übersetzung aus dem Koreanischen: "Der Fluch des Hasen" von Bora Chung, Klaus Detlef Olofs Übersetzung aus dem Slowenischen "18 Kilometer bis Ljubljana" von Goran Vojnovic, Lisa Palmes' Übersetzung aus dem Polnischen: "Bitternis" von Joanna Bator, Jennie Seitz' Übersetzung aus dem Russischen: "Nimm meinen Schmerz. Geschichten aus dem Krieg" von Katerina Gordeeva sowie Ron Winklers Übersetzung aus dem Englischen: "Angefangen mit San Francisco. Gedichte" von Lawrence Ferlinghetti.
Wer in der jeweiligen Kategorie mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wird, entscheidet sich am 21. März, wenn er auf der Messe verliehen wird.
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