Deutlich zugenommen hat der israel-bezogene Antisemitismus in Bayern seit dem Hamas-Angriff auf Israel vor rund einem Jahr. Im ersten halben Jahr nach dem Angriff seien 527 Vorfälle mit Bezug zu Israel gezählt worden, meldet die Recherche und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS). Das ist eine Steigerung um 1.125 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als 43 Vorfälle registriert wurden.
Jetzt wird "ausgesprochen", was "früher als Tabu" galt
In Bayern hat der zunehmende Antisemitismus große Auswirkungen auf das jüdische Leben. Viele geben sich in der Öffentlichkeit nicht mehr als Jüdinnen und Juden zu erkennen und ziehen sich zunehmend ins Private zurück. Emanuel Rotstein ist im Vorstand des jüdischen Sportvereins TSV Maccabi München. Er spricht von einer Zeitenwende seit dem 7. Oktober: Das Sicherheitsgefühl in Deutschland habe sich drastisch verändert: "Es ist ein Unwohlsein. Von seinem Gegenüber, von der Gesellschaft werden Dinge gedacht und ausgesprochen, die früher als Tabu galten. Und ich hatte das Gefühl, dass wir acht Jahrzehnte nach dem Holocaust tatsächlich weiter sind", sagt Emanuel Rotstein.
Die Zahlen von der Recherche und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS) bestätigen dieses Gefühl: Sachbeschädigungen, Bedrohungen, verletzendes Verhalten und Versammlungen nehmen drastisch zu. Laut Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) tritt Antisemitismus auch verstärkt an Universitäten und Hochschulen in Bayern auf – wie etwa in Form von Schmähungen in WhatsApp-Gruppen, durch komische Blicke und Zurufe. Manches strafbarer Antisemitismus, anderes nicht.
Aktionsplan an Hochschulen für mehr Sicherheit
"Antisemitismus beginnt schon bei einem verbalen Rempler, bei einer spaßig gemeinten Bemerkung. Dass Menschen, in aller Regel deutsche Staatsbürger, für Dinge in Haftung genommen werden, die im Nahen Osten passieren", sagt Blume. Am Ende sei das nichts anderes, als "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit".
Der Wissenschaftsminister hat nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 neue Vorkehrungen zum Schutz jüdischen Lebens an Hochschulen eingeleitet. Teil des sogenannten "Aktionsplans im Kampf gegen Antisemitismus" sind Antisemitismusbeauftragte an allen bayerischen Hochschulen.
Professor Lautz Edzard übernimmt diese Rolle an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg: "Ich bin konkret Ansprechpartner für Studierende und Kolleginnen, die sich mit Problemen und Beobachtungen an mich wenden können. Die melde ich dann der Rechtsabteilung und in schlimmen Fällen der Polizei. Ich bin aber auch in Kontakt mit den jüdischen Gemeinden", beschreibt Edzard seine Rolle.
Schärfere Sanktionierung bis zur Exmatrikulation
33 Antisemitismusbeauftragte gibt es insgesamt in Bayern. Teil des Plans sind auch schärfere Sanktionierungen für antisemitisches Verhalten, bis hin zur Exmatrikulation. Außerdem zielt der Plan auf Bewusstseinsbildung, verstärkte Forschung und Netzwerkbildung ab. Das Ziel des "Aktionsplans im Kampf gegen Antisemitismus": Jüdische Studierende, Forschende und Lehrende sollen sich an den bayerischen Hochschulen wieder sicher fühlen können.
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