Die Politiker sitzen nebeneinander auf Sesseln
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Eklat im Weißen Haus: Selenskyj und Trump und Vizepräsident Vance (ganz rechts)

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"Er hätte Krawatte tragen sollen": Russen über Selenskyj-Eklat

"Er hätte Krawatte tragen sollen": Russen über Selenskyj-Eklat

Der lautstarke öffentliche Streit zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem ukrainischen Amtskollegen Selenskyj sorgt in Russland für aufgeregte, höchst kontroverse Stellungnahmen: "In diesem Fall ist ein Fehler schlimmer als ein Verbrechen."

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"So unmerklich ist bei uns der Frühling ausgebrochen", jubelte der russische Militärblogger Oleg Sarow (365.000 Fans) nach dem Eklat im Weißen Haus, bei dem sich US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor laufenden Kameras lautstark stritten. Doch so einhellig ist die Freude in Russland keineswegs.

"Ich verstehe, dass alle Besitzer von Villen, Landsitzen und Schlössern in den USA gern glauben wollen, dass wir jetzt bereits die engsten Freunde sind, aber ich hoffe, dass der Rest von uns kapiert, dass dem nicht so ist", warnten die "Zwei Majore", mit 1,2 Millionen Followern einer der maßgeblichsten Telegram-Kanäle: "Die USA werden weiterhin eine antirussische Politik verfolgen, sie geben nur vor, unsere Freunde zu sein."

"Sprachschatz slawischer Bösewichte in Hollywoodfilmen"

Politologe Dmitri Michailitschenko sah Selenskyj "auf der Matte", aber noch nicht ausgeknockt: "Trump ist wütend, dass Selenskyj ihm im Weg steht. Trump denkt an morgen und Selenskyj hat versucht, ihn ins Vorgestern zu ziehen, eine sehr teure und blutige Zeit. Mal sehen, ob die Trump-Regierung einen anderen Plan hat."

"Selenskyj hätte Anzug und Krawatte tragen sollen. Er hat es mit einem Geschäftsmann zu tun, dem solche Dinge am Herzen liegen. Der Dresscode ist in Amerika mehr als nur eine Kleiderordnung. Und davon abgesehen: Er sollte aufhören, Tarnkleidung zu tragen, Uncle Sam will endlich Frieden", so der russische Politologe Georgi Bovt. Er tadelte Selenskyj, weil der bei dem skandalösen Dialog zeitweise auf einen Übersetzer verzichtete: "Er verfügt über den typischen Sprachschatz slawischer Bösewichte in Hollywoodfilmen. Sowohl sein Akzent als auch sein Wortschatz klingen raubeinig."

"Sonst wird es böse enden"

Ganz anders die Meinung von Kolumnist Dmitri Drise vom russischen Wirtschaftsblatt "Kommersant": "Aus meiner Sicht handelt es sich hier um ein komplettes Versagen des Gastgebers des Treffens [Trump], der nicht in der Lage war, die Situation unter Kontrolle zu halten. Darüber hinaus wurde das für die USA sehr vorteilhafte und für die Ukraine absolut nachteilige Abkommen [über die Ausbeutung von Seltenen Erden] nie unterzeichnet."

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Einer der reichweitenstärksten russischen Militärblogger, Juri Podoljak (3,12 Millionen Fans) ist überzeugt, dass Trump Selenskyj in eine "Falle" gelockt habe: "Jetzt hat Trump in dieser Angelegenheit völlig freie Hand und kann sowohl Kiew als auch Europa in aller Ruhe erpressen, indem er sich aus dem Spiel zurückzieht, wenn seine Bedingungen nicht akzeptiert werden." Mehrere russische Blogger zeigten sich überzeugt, dass Trump den Friedensnobelpreis im Auge habe und sich dabei nicht von Selenskyj bremsen lassen wolle.

"Gipfel der Unwürdigkeit"

"Sich in aller Öffentlichkeit auf das Niveau einer Straßenschlägerei zu begeben, schadet dem eigenen Ansehen gewaltig. Die USA und die Ukraine sind nicht auf Augenhöhe. Sich mit solch unanständigen Szenen aneinander zu messen, ist der Gipfel der Unwürdigkeit", schimpft der kremlkritische russische Polit-Blogger Anatoli Nesmijan (121.000 Fans): "Das größte Hindernis ist derzeit Selenskyj. Niemand will Geschäfte mit ihm machen. Der effektivste und schnellste Weg ist daher natürlich seine Beseitigung."

"Fehler schlimmer als ein Verbrechen"

Dagegen bastelte Kreml-Propagandist Sergei Markow an seiner neuesten Verschwörungstheorie: "Selenskyj stieß Trump möglicherweise im Einvernehmen mit seinen europäischen und amerikanischen Unterstützern vor den Kopf. Dieser Skandal könnte Teil eines raffinierten Plans von Trumps Feinden sein, ihn zu stürzen." Allerdings könnten auch "psychische und politische" Probleme bei Selenskyj zum Eklat geführt haben.

Der in London lehrende russische Politologe Wladimir Pastuchow bilanzierte: "Selenskyj war entschlossen, die Verhandlungen zu stören, und er störte sie. Wäre das Schachspiel auf einen Zug beschränkt, wäre er sicherlich Weltmeister, denn das ist ein wahrhaft meisterlicher Zug. Aber er führt nicht zum Frieden. Er führt zur Fortsetzung des Krieges." Jetzt müsse Selenskyj inständig hoffen, dass ihm die Europäer einen "Reserve-Fallschirm" nähten: "Gott gebe, dass er keinen Fehler macht, denn genau in diesem Fall ist ein Fehler schlimmer als ein Verbrechen."

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