"Trump hat Putin zu seiner Lieblingsfrau gekürt", lästerte der russische Blogger Anatoli Nesmijan: "Russlands Kampf um die Rolle des Rohstoffanhängsels von zwei größeren Partnern [USA und China] ist in eine neue Phase eingetreten." Exil-Politologe Abbas Galljamow erinnerte polemisch daran, dass Russland einst Alaska an die USA verkaufte: "Ich frage mich, ob es dieses Mal zum Verkauf der Tschuktschen-Halbinsel oder Kamtschatkas kommen wird? Oder werden sie sich lediglich auf den Ausverkauf von Rohstoffen beschränken?"
Anlass für solche Spötteleien ist ein TV-Auftritt von Kremlchef Wladimir Putin. "Wir würden uns über eine Zusammenarbeit mit allen ausländischen Partnern, auch mit amerikanischen, freuen", so der russische Präsident in einem Interview mit seinem Haus- und Hofreporter Pawel Sarubin über die Ausbeutung von Seltenen Erden in Russland. Die Förderung sei schließlich kapitalintensiv. Allerdings verfüge Russland über deutlich mehr Vorräte als die Ukraine. Nach Informationen des US-Senders NBC soll Putin den USA sogar "Eigentumsrechte" an Lagerstätten in von Russland besetzten ukrainischen Gebieten angeboten haben, also nahe der jetzigen Front.
Außerdem will Putin mit den USA beim Aluminium ins Geschäft kommen: "Denn die Produktion von Aluminium ist in erster Linie eine Energiefrage, und zwar möglichst billige Energie. Wasserkraft ist günstig und unter anderem umweltfreundlich. Ja, die Politik des derzeitigen Präsidenten [Trump] besteht heute darin, die Produktion auf dem Territorium der Vereinigten Staaten anzusiedeln. Aber wenn amerikanische Unternehmen mit uns zusammenarbeiten, dann ist das auch für sie von Vorteil, und zwar ein erheblicher, denn die Unternehmen verdienen ordentlich und die entsprechenden Aluminiummengen gelangen zu absolut akzeptablen Preisen auf den heimischen Markt."
Putin habe es schon als Ex-KGB-Offizier in den neunziger Jahren verstanden, sich und seine Freunde mit seltenen Erden persönlich zu bereichern, behaupten mutige Blogger. Die damaligen "Eintagsfirmen" seien unvergessen: "Die Metalle waren weg, aber die Menschen in St. Petersburg haben nichts dafür bekommen." Insofern habe sich nichts geändert. Leser der St. Petersburger Zeitung "Fontanka" höhnten: "Der nächste Schritt besteht darin, Trump eine Genehmigung zum Bau eines Wolkenkratzers auf dem Roten Platz zu erteilen."
"USA zielen auf Putins Narzissmus"
Putins Äußerungen stießen in Russland somit auf ein höchst geteiltes Echo. So heißt es einem Polit-Blog mit 95.000 Fans: "Die Trump-Administration verhält sich gegenüber Putins Team so, wie sich die europäischen Kolonialherren gegenüber afrikanischen Stammesführern aufführten, als diese Gold und andere wertvolle Ressourcen gegen Glasperlen eintauschten. Das Weiße Haus täuscht im medialen Kampf mit dem Kreml 'große Zugeständnisse' vor, in dem es im Wesentlichen bedeutungslose UN-Resolutionen unterstützt. Dabei wird auf Putins Stolz und seinen enormen Narzissmus gezielt."
Putin rolle den Amerikanern den "roten Teppich" aus, Trump werde in Russland zum Pop-Star, obwohl er dem Kreml nur Dinge "verkaufe", die ihn selbst nichts kosteten: "Sie lesen ihm in Moskau jeden Satz von den Lippen ab und genießen seine Äußerungen buchstäblich mit Verzückung. Journalisten lassen sich kein Wort von ihm entgehen und berichten sofort darüber. Die Chefredakteure trinken kübelweise Kaffee, um nichts zu verpassen. Sogar der Präsident [Putin] selbst, was soll ich sagen, der Präsident selbst eifert dem nach", so einer der Kommentatoren verblüfft: "Wohin steuern wir, wenn Putin um des ausländischen Geldes willen bereits das Wort 'Ukraine' in den Mund nimmt?"
BR24
Putin könne es offenbar kaum noch abwarten, mit Trump ins Geschäft zu kommen, höhnte ein Blogger. Ein Propagandist mit 2,75 Millionen Fans erklärte Putins Kotau dagegen so: "Durch eine solche Kooperation würden die USA den nötigen 'Treibstoff' für den weiteren Wettbewerb mit China erhalten, und Russland bekäme eine Eintrittskarte in die Gesellschaft der Länder, die die Rohstoffmärkte der Zukunft kontrollieren."
"Metalle nicht wichtiger als Menschenleben"
Die kremltreue Kolumnistin Maria Sergejewa warnte davor, dass in der Wirtschaft anders als auf dem Schlachtfeld nicht die "kleinste Schwäche" verziehen werde: "Ich glaube nicht, dass uns diese Verhandlungen leicht fallen werden, dass man nicht etwa versuchen wird, uns zu hintergehen, und dass die ausländischen Investoren wie verrückt anfangen werden, in unsere Wirtschaft zu investieren." Aber immerhin habe Putin "politische Stabilität und Vorhersehbarkeit" anzubieten: "Welche andere Regierung kann das anbieten, was das große Geld doch so schätzt?"
Der ultrapatriotische Blogger Juri Barantschik (75.000 Fans) schrieb etwas bang: "Somit verlagerten sich die Verhandlungen über ein Friedensabkommen allmählich auf den Finanz- und Rohstoffbereich. Aber das ist nicht weiter schlimm. Die Hauptsache ist, es nicht dabei bewenden zu lassen und nicht zu vergessen, dass urzeitliche Metalle nicht wichtiger sein sollten als Menschenleben."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!