Fahnen mit dem Aufdruck "Gurlitt: Eine Bilanz" hängen vor dem Kunstmuseum Bern. In der Ausstellung präsentiert das Museum bis 15. Januar 2023 Werke, die der Kunstsammler Cornelius Gurlitt dem Museum vermacht hatte, und die Ergebnisse der Aufarbeitung.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Christiane Oelrich
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Was ist die Bilanz, zehn Jahre nach dem "Fall Gurlitt"? Diese Frage dominierte 2023 die Szene.

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Jahresrückblick 2023: Kunstmarkt und Restitution

Jahresrückblick 2023: Kunstmarkt und Restitution

Natürlich gab es auch 2023 wieder unzählige Ausstellungen in deutschen Museen. Ein Thema aber trieb die Kunstwelt wirklich um: Die Provenienzforschung und die Frage, wie man das Problem nachhaltig anpacken kann. Spoiler: Bisher klappt's noch nicht.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

2023 war das Jahr des dreifachen Jubiläums: Vor 25 Jahren wurde die Washingtoner Erklärung zur Restitution von Nazi-Raubkunst erlassen. Vor 20 Jahren traf sich erstmals die Beratende Kommission in Magdeburg, die Streitfälle zwischen deutschen Museen und meist jüdischen Vorbesitzern von Kunstwerken klären soll. Und vor zehn Jahren kam der Fall des Münchner Kunstsammlers Cornelius Gurlitt an die Öffentlichkeit. Hat die große Öffentlichkeitswirkung dieses Falles der Provenienzforschung, der Suche nach den Vorbesitzern von Kunstwerken, in Deutschland geholfen?

Strukturell kaum Erfolge in der Provenienzforschung

Christian Fuhrmeister vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München zieht ein gemischtes Fazit, erzählt von Verbesserungen, aber auch davon, wie wenig nachhaltig einige von ihnen waren: "Es gab Juniorprofessoren. Es gab sie. Die sind auch im Abbau begriffen. Es gibt noch eine in Berlin und eine in Bonn. Und ob das dauerhaft bleiben wird, steht maximal in den Sternen." Fuhrmeister verweist darauf, dass es immer noch keinen einzigen dauerhaften Lehrstuhl für Provenienzforschung in Deutschland gibt. Obwohl die Ausbildung von Herkunftsforschenden dringend Not tut: Man vermutet, dass zwischen 1933 und 1945 600.000 Kunstwerke jüdischen Vorbesitzern entzogen worden sind. Und davon befinden sich wohl immer noch Hunderttausende in Privatbesitz.

Deutschlands führendes Kunst-Auktionshaus, Ketterer in München-Riem, leistet sich vier festangestellte Forscherinnen, dazu sechs freie Mitarbeiterinnen. Agnes Thum leitet die Abteilung, die jedes Jahr etwa 700 Kunstwerke mit Entstehungsdatum vor 1945 prüft: "Wir prüfen die relevanten Datenbanken. Und wenn es dann eine Verdachtssituation gibt, schlagen wir Alarm." Das heißt: Dem Einlieferer und der Geschäftsleitung wird Bescheid gegeben, das Werk wird erstmal aus der Auktion herausgenommen. Im Anschluss: Tiefenrecherche.

Aufklärung im eigenen Interesse

Wer glaubt, dass Agnes Thum sich mit diesem Eingreifen Ärger macht, der irrt. Jeder Beteiligte, die bisherigen Besitzer, das Auktionshaus und auch die jüdischen Vorbesitzer, haben ein Interesse an einer fairen und gerechten Lösung nach den "Washington Principles". Es läuft meist auf eine Teilung der Einnahmen zwischen den von den Nazis Beraubten und den heutigen Besitzern hinaus.

"Tatsächlich ist das für mich eigentlich der schönste Teil meiner Arbeit, weil ich dann ganz intensiv in Austausch dann mit den jüdischen Familien kommen kann und wirklich sehr bewegende Lebensgeschichten höre", sagt Thum. Die acht größten Auktionshäuser in Deutschland lösen im Schnitt immerhin 25 Fälle pro Jahr. In inzwischen 20 Jahren wurde hingegen die Beratende Kommission in Magdeburg erst ganze 23 Mal zur Klärung von Streitfällen zwischen deutschen Museen und Vorbesitzerfamilien herangezogen.

Wunsch: Klare gesetzliche Grundlage

Das liegt daran, dass stets beide Seiten einem solchen Verfahren zustimmen müssen. Deswegen wurden 2023 die Rufe nach einem Restitutionsgesetz laut, das das Verfahren auch auf eine Anrufung von nur einer Seite vereinheitlichen könnte.

Es würde dann den Erfolg des "Kulturgutschutzgesetzes" beim Handel wiederholen, meint Stephan Klingen vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte München. "Da macht sich bemerkbar, dass der Handel dazu verpflichtet ist. Und dieses Argument, dass das auf einem Gesetz beruht, lässt einen natürlich vermuten, dass möglicherweise ein etwas an die österreichischen Verhältnisse angenähertes Restitutionsgesetz in Bezug auf die öffentlichen Sammlungen auch was beschleunigen würde."

Problem: Zeitdruck auf dem Kunstmarkt

Deutschland braucht wie Österreich ein Restitutionsgesetz, meint Stephan Klingen. Und Christian Fuhrmeister hat noch eine ergänzende Idee: Der Staat könnte alle Raubkunst-Zweifelsfälle aus Privatbesitz bis zu ihrer Klärung aufkaufen und so dem Zeitdruck des Kunstmarktes entziehen: "Der Staat übernimmt selbst die Verantwortung, nimmt diese Werke vom Markt, kauft sie, erwirbt sie, vielleicht auch von Sammlern, die sie verkaufen möchten. Und in Ruhe klärt man das und kann sie ja nach erfolgter Klärung wieder veräußern."

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