In Donauwörth kommt man an ihm quasi nicht vorbei: Komponist Werner Egk. Es gibt einen Werner-Egk-Platz, die Werner-Egk-Musikschule, ein kleines Museum, den Zaubergeigenbrunnen – gebaut in Anlehnung an eine Oper Egks. Und: Das Rathaus-Glockenspiel spielt täglich Egks Musik. Doch der 1901 in Auchsesheim, einem heutigen Stadtteil Donauwörths, geborene Komponist steht schon länger in der Kritik wegen seiner Rolle im Dritten Reich. Nun gibt es eine neue Studie über Egk. Welche Konsequenzen man daraus zieht, das entscheidet am Abend der Stadtrat.
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Stadt Donauwörth hält Studie unter Verschluss
Die Musikwissenschaftlerin Anna Schamberger hat im Auftrag der Stadt einen Briefwechsel Egks mit seiner Frau untersucht. Was genau in der Studie steht, weiß die Öffentlichkeit bisher nicht. Die Stadt als Auftraggeberin hält die Arbeit unter Verschluss. Auch Oberbürgermeister Jürgen Sorré (parteilos) will sich erst am Freitag nach der Entscheidung im Stadtrat in einer Pressekonferenz äußern.
Donauwörth profitiert von Egks Erbe möglicherweise finanziell
Auch sonst gibt sich die Stadt verschlossen. Fragen des BR zu möglichen Einnahmen der Stadt durch die Tantiemen der Werke Egks will die Stadt im Vorfeld der Stadtratssitzung ebenfalls nicht beantworten. In einem BR-Beitrag von 1991 äußert sich der damalige Donauwörther Oberbürgermeister Alfred Böswald dazu, dass die Stadt noch 70 Jahre lang materiell von Egk profitieren werde.
Stadträte kennen die Studie
Was sich abzeichnet: Die Studie scheint die antisemitische Haltung Egks, der bei Olympia 1936 von Adolf Hitler eine Goldmedaille in der Kategorie "Orchestermusik" erhielt, wissenschaftlich zu bestätigen. Jonathan Schädle, CSU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, hat die Studie lesen dürfen. Auf die Frage, ob Egk Antisemit sei, antwortet er: "Das lässt sich nicht so pauschal sagen, aber die Aussagen lassen darauf schließen." Denn es seien ganz eindeutig antisemitische Äußerungen zu lesen, die "in Sprache und Duktus indiskutabel sind", so Schädle. Grünen-Stadtrat Albert Riedelsheimer kennt die Studie ebenfalls: "Werner Egk hat jüdische Menschen sehr lächerlich und negativ beschrieben."
Komponist beschimpft Kollegen als "schissigen Israeliten"
Der BR konnte im Donauwörther Stadtarchiv Teile des in der Studie untersuchten Briefwechsels filmen. An vielen Stellen zeigen sich darin antisemitische Äußerungen. So schreibt Werner Egk 1929, also vier Jahre vor der Machtergreifung der Nazis, an seine Frau über einen Besuch im Berliner Staatstheater: "Publikum urjüdisch, Strawinsky selbst wie ein kleiner, sich windender Affe; Klemperer ein Oberjude, die Kapellmeister der Oper alle vier Juden, die Solisten Juden, es war wie wenn man gar nicht dazugehörte. An leitender Stelle des Staatstheaters sind 16 Männer, darunter 15 Juden, ein Nicht-Jude, der aber kein Deutscher, sondern Westschweizer ist." In den Briefen bezeichnet er außerdem einen amerikanischen Film als "Unkunst" oder beschreibt an anderer Stelle SS-Funktionär Hans Hinkel, der sich im Hitlerregime mit Kulturfragen beschäftigte, als "sympathisch". Einen Komponisten-Kollegen beschimpft Egk als "schissigen Isrealiten".
Worüber der Stadtrat abstimmt, bleibt bis zur Sitzung geheim
Der Stadtrat entscheidet am Abend, welche Konsequenzen er aus der neuen Studie zieht. Worüber der Stadtrat jedoch genau abstimmt, gibt die Stadt vorher ebenfalls nicht bekannt. Klar ist, Donauwörth ist durchdrungen vom Gedenken an Werner Egk – mit all den Orten, die nach ihm benannt sind. Der Augsburger Stadtrat hatte kürzlich bereits entschieden, die Werner-Egk-Schule in Augsburg umzubenennen.
Grüner Stadtrat fordert Umbenennung des Werner-Egk-Platzes
Der Donauwörther Grünen-Stadtrat Albert Riedelsheimer fordert unter anderem eine Umbenennung des Werner-Egk-Platzes in Auchsesheim und eine Überarbeitung der Ausstellung über den Komponisten in der Werner-Egk-Begegnungsstätte. Für Riedelsheimer bemerkenswert: Viele Äußerungen Werner Egks sind schon Jahre vor der Machtergreifung und dazu noch in privaten Briefen an seine Frau gefallen, "und deswegen gehe ich davon aus, dass er diese Haltung tatsächlich gehabt hat", so der Grünen-Stadtrat. Antisemitismus sei derzeit im Aufwind, so Riedelsheimer, deshalb gehe es für ihn darum, ein klares Zeichen zu setzen.
CSU-Stadtrat: "Aus dem Schlechten etwas Sinnvolles ziehen"
Mit Umbenennungen ist CSU-Stadtrat Jonathan Schädle vorsichtiger. "Der einfache Weg wäre, alles umbenennen, den Namen aus der öffentlichen Wahrnehmung tilgen und so zu tun, als hätte es den Mann nie gegeben. Das halte ich aber nicht für den zielführenden Weg. Meiner Meinung muss es der Weg sein, aus dem Schlechten noch irgendwas Sinnvolles herauszuziehen. Das ist die Chance, über den bekannten Namen jetzt Informationen an die Menschen heranzubringen."
Keine öffentliche Debatte im Stadtrat
In einem Arbeitskreis haben die Fraktionen im Donauwörther Stadtrat zusammen mit Oberbürgermeister Sorré intern lange über die Konsequenzen der Studie für Donauwörth beraten. Es ist ein Vorschlag entstanden, über den der Stadtrat am Abend abstimmt. Der Öffentlichkeit bleibt er bis dahin aber unbekannt. Eine öffentliche Debatte über das Thema gab es deshalb in der Stadt bisher nicht.
Interessant wird auch, wie sich der parteilose Oberbürgermeister Jürgen Sorré zu dem Thema positioniert. Auf einer Demo gegen rechts Anfang des Jahres hatte er in Donauwörth gesagt: "Hass und Hetze beginnen oft im Kleinen, mit scheinbar harmlosen Scherzen, dummen Kommentaren oder Ähnlichem – aber das ist brandgefährlich!" Die Frage ist nun, wie man vor diesem Hintergrund mit der Erinnerung an den Komponisten Werner Egk, der sich über Jahre judenfeindlich geäußert hat, in Donauwörth umgeht.
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