"Alle waren überrascht, dass Putin eine Militäruniform trug. Tatsächlich war er damit bereits während der Wostok-Manöver im September 2022 zu sehen, damals endete alles mit dem völligen Zusammenbruch der Front in der Region Charkiw und der daraufhin angekündigten Mobilmachung", so der im Ausland lebende russische Militärblogger "Alex Parker" (244.000 Fans) voller Hohn. Putin hatte bei einem Frontbesuch in der Region Kursk gegen seine bisherige Gewohnheit olivgrüne Kampfmontur getragen.
Das habe der russische Präsident schlicht für "nötig" gehalten, so Kremlsprecher Dmitri Peskow im Nachhinein bei einem Presse-Briefing. Gefragt, ob Putin demnächst auch Rangabzeichen tragen werde, verwies Peskow lediglich darauf, dass es der Präsident in seiner Zeit beim Geheimdienst bis zum Oberst gebracht habe. Das Outfit sei ein "Zeichen der Entschlossenheit".
"Kühnheit und Effektivität"
Putin hatte beim Besuch der Front die Gelegenheit genutzt, die "Kühnheit und Effektivität" der Soldaten zu loben und ausländische Söldner in der ukrainischen Armee als "Terroristen" zu beschimpfen, auf die die Schutzbestimmungen der Genfer Konvention für Kriegsgefangene nicht anwendbar seien. Die russischen Generäle bat er, über die Einrichtung einer "Pufferzone" entlang der Grenze nachzudenken.
Von russischen Beobachtern wurde Putins martialischer Auftritt als hochsymbolisch eingestuft, nachdem es russischen Truppen nach knapp sieben Monaten gelungen war, die von der Ukraine besetzten Teile der russischen Region Kursk fast vollständig zurückzuerobern.
"Putin wollte seine Jungs sehen"
So schrieb Andrei Kolesnikow vom russischen Wirtschaftsblatt "Kommersant" mit etwas süffisantem Unterton: "Dieser Vormarsch und das, was jetzt in der Region [Kursk] passiert, ist als Sieg zu bewerten, denn die vorangegangenen sieben Monate waren eine Niederlage, die Putin auf niemanden abwälzen konnte. Es ist sein Sieg. Er, der in diesen sieben Monaten an nichts anderes denken konnte, wollte diesen Sieg nun persönlich miterleben und direkt daran teilhaben."
TV-Journalist und Blogger Andrei Kalitin meinte ironisch: "Putin in Tarnfarben ist ein Signal: Wir sind bereit, weiterzumachen. Es erscheint seltsam, dass er nicht auf einem weißen Pferd angeritten kam. Wieder einmal wird die russische Flagge auf russischem Territorium als großes Ereignis gefeiert, das in die Geschichte des Landes eingehen wird. Was für ein Sieg!"
"Seine Stimme passt nicht zum Bild"
Während die einen Blogger Putin rühmten, die Tarnfarben stünden ihm ausgesprochen gut, schrieben andere: "Es sieht sehr merkwürdig aus, seine Stimme passt nicht zum Bild, sie klingt unnatürlich hoch."
BR24
Propagandist Sergei Markow erklärte sich Putins Military-Look damit, dass der Präsident jetzt dank Donald Trump offenbar nicht mehr so gefährdet sei, Opfer eines Attentats westlicher Geheimdienste zu werden: "Um es klar zu sagen: Es ist viel gefährlicher für Putin, der Front drei Jahre fernzubleiben, als für Selenskyj, 20 Mal an die Front zu reisen. Denn Russland betreibt keinen Terrorismus, sondern es wird Terrorismus gegen Russland verübt."
"Völliges Versagen aller Dienste"
Politologe Andrei Nikulin spottete: "In diesem Outfit, mit solch strengem Blick, kann Putin morgen alles verkünden – vom Sieg, vom 'Erreichen aller gesetzten Ziele', bis hin zur Notwendigkeit eines 'österlichen Friedens', den unsere angeborene Mitmenschlichkeit und die von unseren Vorfahren übernommenen spirituellen Bindungen uns auferlegen."
Gewohnt ironisch gab sich auch Polit-Blogger Anatoli Nesmijan (121.000 Fans): "Es stellte sich etwas Seltsames heraus: Das Ziel der Spezialoperation war die Befreiung russischen Territoriums, das ohne die Spezialoperation gar nicht hätte befreit werden müssen. Allein die Tatsache, dass eine ausländische Armee in russisches Territorium eindrang und es über sechs Monate lang hielt, stellt ein völliges Versagen aller Dienste und Strukturen dar."
"Keine Uniform, sondern Karnevalskostüm"
Leser russischer Zeitungen liefen nach Putins Auftritt zur Hochform auf: "Eine Militäruniform ohne Schulterklappen ist keine Militäruniform, sondern ein Karnevalskostüm." Einer fühlte sich an die Uniform einer "Garagen-Genossenschaft" oder einen "Hausmeister" erinnert. Als "Napoleon" sei Putin nicht sonderlich überzeugend: "Nur der Kommandant des Schützengrabens kann vom Schützengraben aus Befehle erteilen. Wenn Sie viele Schützengräben unter sich haben, müssen Sie das Kommando von einem Ort aus übernehmen, von dem aus Sie alle Schützengräben überblicken können! Zum Beispiel im Fernsehen."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!