Warum wurde dem Attentäter von Hanau nicht die Waffenlizenz entzogen? Wieso war die Notrufzentrale in der Anschlagsnacht schlecht erreichbar? Unter anderem mit diesen Fragen zum rassistisch motivierten Anschlag von Hanau beschäftigt sich die Ausstellung "Erinnern heißt verändern" im Museum im Kulturspeicher in Würzburg.
Sie verteilt sich über zwei große Räume und besteht aus Infografiken, Wandbildern und Videos, die sich mit dem Anschlag und seinen Folgen beschäftigen. Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-jähriger Attentäter in Hanau gezielt neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen und anschließend seine Mutter sowie sich selbst getötet.
Versagen von Polizei und Behörden
Konzipiert und erarbeitet hat die Ausstellung eine Gruppe namens Forensic Architecture, eine universitäre Forscher- und Künstlergruppe mit Sitz in London, die sich der investigativen Untersuchung von Gewaltverbrechen widmet. Forensic Architecture übernimmt Fälle auf Einladung von Familien oder Gemeinschaften, die unter den Folgen von staatlicher Gewalt oder Staatsversagen leiden. "Wir sind Menschenrechtsermittler. Wir sind ein bisschen wie Journalisten, ein bisschen wie universitäre Forscher, ein bisschen wie Aktivisten, ein bisschen wie Akademiker", so beschreibt Robert Trafford, Sprecher von Forensic Architecture, die Arbeit der Gruppe.
In Zusammenarbeit mit ihrer Schwester-Organisation Forensis in Berlin und der Initiative "19. Februar Hanau" beleuchten die britischen Aktivisten den rassistischen Anschlag eingehend, decken Versäumnisse auf und stellen Zusammenhänge her. Dabei arbeiten sie mit neuesten Methoden, um eine wissenschaftlich fundierte Gegenerzählung zu den von staatlicher Seite vertretenen Darstellungen der Vorfälle zu liefern.
Hinterbliebene fordern Konsequenzen
Im Mittelpunkt der Ermittlungen von Forensic Architecture steht nicht das Vorgehen des Täters, sondern die Vorgehensweise der Behörden, so Trafford. Im Fall von Hanau gehe es konkret darum, warum dem Attentäter nicht die Waffenlizenz entzogen wurde, obwohl er Wochen vor der Tat seine Absichten den Behörden mitgeteilt habe. Oder die Probleme in der Notrufzentrale, die eine schnellere Alarmierung verhindert hätten.
Ende 2021 hatte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitgeteilt, dass das Ermittlungsverfahren zu dem Anschlag eingestellt wurde. Der Attentäter habe keine Helfer oder Mitwisser gehabt. Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags beendete Ende 2023 seine Arbeit und bescheinigte den Sicherheitsbehörden Fehler. Die Hinterbliebenen beklagen aber bis heute fehlende Konsequenzen.
Museum als Denk- und Lernort
Der erste Teil der Ausstellung dokumentiert in einer detaillierten Zeitleiste die Tatnacht und thematisiert insbesondere die Fehler und Versäumnisse der Polizei. Der zweite Teil zeichnet den Kampf der Überlebenden und Angehörigen der Opfer um Erinnerung und Aufklärung nach. "Das Verbrechen liegt nicht nur darin, was in dieser Nacht passiert ist, sondern auch in vielen Dingen, die seitdem passiert sind. Den Familien wurde nicht zugehört", fügt Trafford hinzu.
Mit der Ausstellung will das Museum im Kulturspeicher vom Haus für Kunst zum Denk- und Lernort werden, der sich gegen rassistische und rechtsextreme Kräfte richtet. "Wir haben hier eine Universität mit 30.000 Studenten, die sich mit diesen Diskursen von Rassismus und Antisemitismus sehr stark auseinandersetzen", sagt Marcus Andrew Hurttig, der Direktor des Museums in Kulturspeicher. "Dazu wollen wir auch einen Beitrag leisten, als Museumsort, der auch Raum für Auseinandersetzung bietet und nicht nur ein Rückzugsort der Entschleunigung ist."
Die Ausstellung "Erinnern heißt verändern" läuft im Kulturspeicher Würzburg bis zum 1. September. Sie war vorher schon drei Mal in Deutschland zu sehen. Zum ersten Mal vor zwei Jahren in Frankfurt mit aktiver Beteiligung von Familien der Opfer. Danach in Berlin und Hanau, nur knapp 500 Meter vom Tatort entfernt. Aktuell wird die Ausstellung auch parallel im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart gezeigt.
Mahnmal für Anschlag in Würzburg
In Würzburg hat die Mordnacht von Hanau auch ihre Spuren hinterlassen. Im Mai 2021 wurde am Aufgang zur Konrad-Adenauer-Brücke in der Nähe vom Dallenbergbad ein Mahnmal für die Opfer von Hanau eingeweiht. Es zeigt die Portraits der neun Opfer und deren Namen. Zwei Monate später wurde das Mural von Unbekannten beschmiert und demoliert. Danach wurden die Graffitis wieder neu angebracht und im März 2022 erneut mutwillig zerstört und mit Hakenkreuzen übermalt. Aktuell sind die Portraits und Namen weiß übermalt.
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